Kenneth Clark: Landscape into Art

Kenneth McKenzie Clark (1903-1983) wurde 1967 in Grossbritannien berühmt durch seine BBC-Serie Civilisation, in der er komplexe kulturgeschichtliche Phänomene für ein breites Publikum zusammenzufassen wusste.

Er war eine Art Wunderkind gewesen. Schon 1933 wurde er als jüngster Direktor der National Gallery in London eingesetzt, ein Amt, das er ein Jahr später für die Direktion der Royal Collection aufgab. Sowohl Clarks Führungsstil wie sein Verständnis von Kunst waren nicht ohne Probleme, so dass er von 1946-1950 an die University of Oxford auf einen Lehrstuhl für Kunstgeschichte wechselte, die sog. Slade-Professur. Kein kunstgeschichtlicher Lehrstuhl im kontinentalen Sinn – der Inhaber der Stelle (die mittlerweile jeweils nach einem Jahr neu besetzt wird) ist dafür verantwortlich, bei den jungen Studenten die Liebe zur Kunst zu wecken. Einer der ersten Inhaber dieser Professur war John Ruskin.

Landscape into Art ist der 1949 in ein Buch verwandelte Text des ersten Vorlesungszyklus’ von Kenneth Clark. 1976 für eine spätere Auflage nochmals vom Autor revidiert, mir jetzt in einer mit farbigen Reproduktionen der meisten besprochenen Bilder versehenen Ausgabe der Folio Society von 2013 vorliegend. Der Text ist meines Wissens nie auf Deutsch erschienen.

Der Titel Landscape into Art deutet Clarks Vorgehensweise und Blickpunkt bereits an: Er schildert, wie seit dem Mittelalter die Landschaft ihren Weg in die Kunst, in die Malerei, gefunden hat. Clark orientiert sich nicht an Schulen, oder kaum. Oft auch verletzt er die Standard-Einteilungen der Kunstgeschichte, macht diesen oder jenen Maler zu einem Vorläufer einer viel späteren Entwicklung. So erscheint Turner nicht als Romantiker, sondern als Impressionist.

Dafür ist Clarks Sichtweise der Kunst, der Kunstgeschichte, romantisch – und konservativ.

Konservativ ist er, weil für ihn die Landschaftsmalerei ganz offensichtlich mit dem Impressionisten Cézanne aufhört. Die seit Cézannes Tod verflossenen 50 Jahre scheinen für Clark nicht zu existieren – kaum, dass er Picasso und Klee einmal erwähnt. Ich wage es nicht, mir vorzustellen, was Clark zur heutigen Kunst sagen würde, wo die Landschaft nicht mehr in die Kunst hinein gebracht wird, sondern die Kunst in Form gross dimensionierter Skulpturen in die Landschaft getragen wird, um die Landschaft (bzw. unsere Sicht auf diese) zu ändern.

Romantisch ist Clark, weil er viel Wert auf Synästhesie legt. Bilder erinnern ihn an Gedichte, Maler an Dichter oder Komponisten. Wenn er Turner mit Wagner in Verbindung bringt, kann ich ihm allerdings nicht folgen. Aber das mag daran liegen, dass ich Turner wie Wagner zu wenig kenne. Denn Clark setzt einiges bildungsbürgerliches Wissen voraus; seine Anspielungen werden selten genauer expliziert. Um genau zu sein: Es wird das Wissen des britischen Bildungsbürgers der Mitte des 20. Jahrhunderts vorausgesetzt. Bei der Malerei ist es Clark sogar bewusst, dass zumindest die französische Tradition und Interpretation oft eine andere ist (er zieht aber immer die britische vor!), bei der Musik scheint dies nicht so zu sein. Und dass auf dem Kontinent neben der französischen noch andere (z.B. eine deutsche) Interpretations-Kulturen existieren könnten, scheint ihm in keinem Moment durch den Kopf gegangen zu sein. Wenn Clarke Dichtung herbeizieht, ist es immer die englische Romantik: Wordsworth, Coleridge, Byron. Am liebsten sind ihm die Maler, die ihre Bilder gleich selber mit Zitaten aus diesen Romantikern versehen haben. (Goethe aber wird nur erwähnt in Zusammenhang mit seiner Farbenlehre, die Turner studiert hat. Und im abschliessenden Personenverzeichnis fehlt der Deutsche …) Auch bei den Dichtern verzichtet Clark auf ausführendere Worte – hier konnte ich ihm allerdings besser folgen, ist mir doch die britische Interpretation der eigenen romantischen Dichter geläufiger als die der deutschen Komponisten.

Der zentrale Punkt in Clarks Darstellung ist immer die Art und Weise, wie die Maler das Phänomen Licht behandelt haben. Licht, Beleuchtung, ist für ihn das Essentielle an einer Landschaft: Feuer, Sonnenauf- und untergänge – und natürlich auch der Schatten. Nachstücke existieren für Clark kaum, und wenn, dann können sie nicht gelungen sein. Der Impressionismus ist für ihn quasi die Darstellung reinen Lichts; kein Wunder, kulminiert seine Kunstgeschichte darin.

Im übrigen aber, wenn man vom – auch der Zeit geschuldeten – engen Standpunkt eines konservativen Briten absieht, gibt der Text eine ausgezeichneten Rundgang im virtuellen Museum der Landschaftsmalerei her. Man sollte ihn auf Deutsch übersetzen und um einen kontinentalen Standpunkt erweitern.

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