Giovanni Pico della Mirandola: Oratio de hominis dignitate / Rede über die Würde des Menschen

Lateinisch / Deutsch. Auf der Textgrundlage der Editio princeps herausgegeben und übersetzt von Gerd von der Gönna. Stuttgart: Reclam, 2009. (= RUB 9658)


Die vorliegende Rede hat Pico nie gehalten; als sein Neffe Gian Francesco Pico sie in des Onkels Nachlass fand, zweifelte er sogar daran, ob dieser gewollt hätte, dass sie veröffentlicht würde. Er tat es dann aber trotzdem und überlieferte so der Nachwelt ein rhetorisch-philosopisches Kleinod, das Jacob Burckhardt über alle Masse loben und als ein Muster der Renaissance-Rhetorik darstellen sollte.

Giovanni Pico della Mirandola hat die Rede als junger Mann geschrieben. Hintergrund war, dass er 1486/87  zu Rom 900 (!) Thesen angeschlagen hatte, die er gern mit den Gelehrten seiner Zeit diskutieren wollte. (Die Disputation fand nicht statt. Nicht nur, dass viele Gelehrte den noch nicht ganz 24-Jährigen des Grössenwahnsinns bezichtigten, gleich 900 Thesen diskutieren zu wollen – einige der Thesen wurden als nicht rechtgläubig verurteilt, was Papst Innozenz VIII. dazu führte, die ganze Disputation zu verbieten. Pico wurde sogar verhaftet, kam aber wieder frei. Die Rede, mit der er die Disputation eröffnen wollte, war aber hinfällig geworden.)

Während der zweite Teil der Rede grösstenteils eine Rechtfertigung darstellt der Tatsache, dass Pico sich erkühnt, gleich 900 Thesen aus den verschiedensten Gebieten menschlichen Wissens disputieren zu wollen, enthält der erste Teil Picos Anthropologie. Pico vertritt die These, dass der Mensch zu nichts Spezifischem geeignet ist, was ihn von den Tieren, aber auch von den Engeln unterscheidet. Weil er zu nichts Spezifischem geeignet ist, ist er zu Allem geeignet. Er kann also ebenso gut Tier wie Engel werden, wenn er will. Somit ist der erste Teil ein flammendes Bekenntnis zum freien Willen des Menschen. Von allem möglichen Wegen des Menschen ist selbstverständlich der hin zu einem engelischen Wesen der erstrebenswerte. Dies kann der Mensch mit Hilfe der Philosophie schaffen – für Pico della Mirandola ist also die Vita contemplativa eindeutig erstrebenswerter.

Picos Darstellung der Willensfreiheit steht in der neuplatonischen Tradition; vor allem Proklos’ Theorie der Emanation hat sie viel zu verdanken,

Natürlich ist in dieser Rede der Optimismus eines 24-Jährigen eindeutig spürbar – zugleich aber die ungeheure Belesenheit Pico della Mirandolas. Der Text ist kurz, keine 40 Seiten im Reclam-Format. Dazu nochmals 40 Seiten Übersetzung – immer schön parallel geführt: links lateinisches Original, rechts die deutsche Übersetzung. Eine Lektüre für einen lauen Sommerabend, wenn man den nicht mit Trivialem verbringen will.

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