Johann Jakob Bodmer / Johann Jakob Breitinger: Schriften zur Literatur

Bodmer / Breitinger sind so etwas wie die siamesischen Zwillinge der Geschichte der deutschen Literatur. Fast immer werden sie zusammen erwähnt (und wenn einer alleine, ist es vorwiegend Bodmer). Sie haben tatsächlich auch sehr viel – vor allem literatur- und kunsttheoretische – Texte zusammen geschrieben. Beide waren von Haus aus Theologen, widmeten sich aber bald…

Thornton Wilder: Theophilus North

Wilder habe ich damals am Gymnasium kennen gelernt, als eine auf Schulaufführungen spezialisierte Truppe für die ganze Schule Our Town (Unsere Stadt) aufführte. Natürlich hatten wir vorher das Stück im Unterricht besprochen, und wir waren ganz stolz darauf, ein (na ja: einigermassen) „modernes“ Stück gelesen, besprochen und gesehen zu haben. Denn Our Town galt damals…

Lewis Carroll: Sylvie & Bruno

Alle kennen Alice im Wunderland, und sei es nur von einer mehr oder weniger gruseligen Adaption für Film, Funk oder Fernsehen. Auch Alice hinter den Spiegeln ist wohl den meisten ein Begriff, obzwar ich schon erlebt habe, dass man es für das gleiche Buch hielt wie Alice im Wunderland und nicht für dessen Fortsetzung. Aber…

Gotthold Ephraim Lessing: Fabeln und Erzählungen / Fabeln. Drey Bücher

Anderes Land, andere Zeit, anderer Mann – andere Fabeln. So in etwa könnte man den Unterschied beschreiben, der zwischen den Fabeln von Jean de La Fontaine (erstmals veröffentlicht 1668) und denen von Gotthold Ephraim Lessing (1759) zu finden ist. Zwar könnte man La Fontaine mit seinem menschenerzieherischen Anspruch zum Frühaufklärer ernennen – so, wie Lessing…

Johann Christoph Gottsched: Schriften zur Literatur

Johann Christoph Gottsched war zu seiner Zeit, was man im 20. Jahrhundert dann einen „Literaturpapst“ zu nennen pflegte. Ja, eine Zeitlang war er gar der deutsche Literaturpapst. Und anders als die späteren Literaturpäpste hätte er diese Bezeichnung wirklich mit vollem Recht verdient. Während nämlich die späteren Literaturpäpste ihre Kritiken an Hand mehr oder weniger explizit…

Nicolas Chamfort: Maximes et pensées, caractères et anecdotes [Alle Gedanken, Reflexionen und Maximen]

Nietzsche, als er die Männer aussuchte, die Ida Overbeck, die Frau seines Freundes Overbeck in Basel, übersetzen sollte für das Buch Menschen des XVIII. Jahrhunderts, ließ im letzten Moment Chamfort ersetzen durch Beaumarchais. Dennoch ist Jean Dagen, der Herausgeber des vorliegenden Buchs, der Meinung, dass Chamfort in vieler Hinsicht Einfluss gehabt habe auf eben diesen…

Henry David Thoreau: Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat. Und andere Essays

Ungeachtet der diesem Aperçu angefügten Schlagwörter tut man Henry David Thoreau Unrecht, wenn man ihn als staatspolitischen Philosophen betrachtet. Ein staatspolitischer Denker: Ja. Ein Philosoph: Nein. Denn nicht jeder Denker denkt philosophisch. Und Thoreau dachte ganz sicher nicht philosophisch, so wenig wie noch alle, die je politisierten. Das vor mir liegende Büchlein ist 2001 bei…

Anna Louisa Karsch: Gedichte (Ausgabe 1792)

Man nannte sie, dem Gebrauch der damaligen Zeit folgend, meist nur „die Karschin“. Das war nicht so negativ gemeint, wie es heute klingt. Auch Luise Adelgunde Victorie Gottsched, die Frau von Johann Christoph Gottsched, dem bekannten Literaturpapst seiner Zeit, wurde als „die Gottschedin“ bezeichnet. Christoph Martin Wieland nannte seine verheirateten Töchter nicht immer beim Vornamen,…

Alfred de Vigny: Stello

Mit vollem Titel heißt das Werk Les Consultations du Docteur-Noir. Première consultation : Stello ou les Diables bleus (Blue Devils) [„Die Konsultationen des Docteur-Noir. Erste Konsultation: Stello oder die blauen Teufel (Blue Devils)“ – meine Übersetzung]. Dieser Langtitel ist zugleich schon fast die Zusammenfassung der Rahmenerzählung von und mit Stello. In seinem Aufbau besteht Stello…

Jan Philipp Reemtsma: Christoph Martin Wieland. Die Erfindung der modernen deutschen Literatur

In Besprechungen der vorliegenden Biografie Wielands habe ich im Internet auch schon Dinge gelesen wie „Wieland kennt heute niemand mehr.“ Das wäre, wörtlich genommen, natürlich Unsinn. Allein die Tatsache, dass hier einer (nämlich Jan Philipp Reemtsma) ein rund 700 Seiten starkes Buch über Christoph Martin Wieland verfasst hat (erschienen dieses Jahr, 2023, bei C. H….