Zitat: Einziger Schwachpunkt bei Wieland ist, dass er die Entwicklung seines Helden nicht in seinen Taten demonstrieren kann, kaum sogar in seinem Denken, sondern, dass er sie dem Leser fast immer in einem auktorialen Exkurs schildern muss, damit dieser versteht, dass Agathon nun wieder einen Schritt weiter gemacht hat.
Ihrer Rezension zu Wielands Agathon stimme ich gerne zu bis auf den Satz oben:. Was heißt „er kann…nicht“? Er will nicht! und ich halte diese Erzähltechnik für ein künstlerisches Konzept. Die Exkurse lösen die philosophischen Erörterungen aus dem Fortgang des Handlungsgeschehens und stellen sie markant heraus. Mit direkter Ansprache bindet Wieland den Leser wie einen Gesprächspartner in die Betrachtung ein. Auf diese Art erzeugt er eine Lesespannung, die ohne emotionale oder intellektuelle Identifikation mit dem Helden auskommt. Wieland hebt den Leser auf eine objektiv betrachtende Ebene, die das Urteilsvermögen des Lesers erhält und einbezieht, um die philosophischen, psychologischen, politischen, gesellschaftlichen und allzu menschlichen Aspekte, Entwicklungen, Verknüpfungen, Zwangsläufigkeiten, um deren Darstellung es ihm geht, herauszuheben, zu unterstreichen und je weiter der Roman fortschreitet, auch wieder zu relativieren. Dabei sind manche der Betrachtungen in diesem Buch historisch-politisch verblüffend aktuell.
Gruß R. Hilgers