Papst Ratzinger hat erstaunliche, bewunderswert liberale Gedanken über eine natürliche Religion/Theologie geäußert und festgestellt, dass der absolute Gott der (griechisch-plytheistischen) Philosophen mit dem Monotheismus der abrahamitischen Religion starke Übereinstimmungen aufweist:

„Das Wesen des Monotheismus besteht … darin, daß er es wagt,
das Absolute selbst als den Absoluten anzusprechen,
als Gott, der zugleich das Absolute an sich und des Menschen Gott ist.
Anders gesagt: Das kühne Wagnis des Monotheismus ist es,
daß er das Absolute – „den Gott der Philosophen“ – anspricht, es für den Gott der Menschen – „Abrahams, Isaaks und Jakobs“! – hält…
Die Stoa unterscheidet – – = theol. mythica – civilis – naturalis (1). In diesen genauen Zusammenhang gehört die philosophische theologia naturalis der Griechen hinein; wer sie unabhängig davon zu verstehen sucht, versteht sie falsch. Mit dieser stoischen Teilung, wie sie vor allem in den 41 Büchern der Antiquitates rerum humanarum et divinarum des M. Terentius Varro (116-27 v. Chr.) entfaltet wird, ist nämlich in der Tat das Problem des philosophischen Monotheismus der Griechen bzw. ihrer philosophischen Gotteslehre exakt getroffen (2). Was ist mit dieser Teilung gemeint?…
Es ist nicht erfaßt mit der Behauptung, der Polytheismus verehre viele Götter, während der Monotheismus nur einen Gott kenne. Eine derartige Aussage bleibt ganz im Vordergrund stecken. In irgendeiner, wenn auch noch so verdunkelten Form, wissen nämlich fast durchweg auch die Polytheismen, die ihrerseits wieder nicht über einen Kamm zu scheren sind, darum, daß das Absolute letzterdings nur ein einziges ist.
Dieses Wissen kann sehr verschiedenartige Gestaltungen haben, es kann sich ausdrücken in der Idee des deus otiosus der Primitivreligionen, in der Idee der alldurchwaltenden als der Götter und Menschen beherrschenden Macht, in der hohen Form des philosophischen Gottesbegriffs eines Platon oder Aristoteles (wobei nicht zu verkennen ist, daß religionsgeschichtlich gesehen der aristotelische erste Beweger eine klassische Abwandlung des Motivs des deus otiosus darstellt). Die Gestaltungen sind vielfältig, aber wohl nirgendwo fehlt das Wissen um die Einheit des Absoluten ganz…“

Joseph Ratzinger: DER GOTT DES GLAUBENS UND DER GOTT DER PHILOSOPHEN