Ursula K. Le Guin: A Wizard of Earthsea [Der Magier der Erdsee]

Ich war der Meinung, ich hätte vor Jahrzehnten schon einen Band aus Ursula K. Le Guins Erdsee-Saga gelesen. Dem ist aber ganz eindeutig nicht so; was ich von ihr in vager Erinnerung habe, ist Science Fiction, nicht Fantasy, nicht Jugendliteratur. Und ich hätte vielleicht die Einführung, die David Mitchell für meine Ausgabe (Folio Society) geschrieben hat, nicht als erstes lesen dürfen. Alles zusammengenommen, war ich nämlich vom Magier der Erdsee enttäuscht.

Sicher, Mitchell hat Recht, wenn er Ursula K. Le Guin die Ersterfindung einiger Dinge zugesteht: Der Magier der Erdsee ist lange vor Harry Potter die Jugend-Fantasy, in der Zauberer zur Zauberschule gehen müssen / dürfen. Und da sowohl Rawling wie Le Guin Britinnen sind, werden diese Schulen selbstverständlich als Internate geführt. Im Roman selber etwas versteckter, wenn auch heute auf jeder Internet-Seite gross hervorgehoben, ist die Tatsache, dass (ausser einem Wikinger-ähnlich agierenden Volk von Nordleuten) alle Einwohner der diversen Inseln des Achipels, der “Erdsee” genannt wird, dunkelhäutig sind. Nicht einverstanden bin ich mit Mitchell und Le Guin, wenn sie behaupten, dass vor dem Magier der Erdsee der Zauberer in der Literatur (Merlin, Gandalf) immer nur als weiser alter Mann dargestellt wird. Das stimmt ganz sicher nicht in allen Variationen der Artus-Sage. Und wenn Mitchell Erdsee deswegen über Tolkiens Hobbit erhebt, so schreibe ich das der Tatsache zu, dass Erdsee halt seine Jugendliebe war – so, wie ich bis heute Karl May durch eine etwas rosarote Brille sehe.

Man schreibt Le Guin, bzw. dem Magier der Erdsee, eine taoistische Grundhaltung zu. Was andere als Lob betrachten, ist m.M.n. der grosse Makel der Erdsee. Immer wieder äussern sich vor allem die Lehrer-Zauberer an der Zauberschule in Sentenzen. Diese sind bei Licht betrachtet nicht mehr als billige Kalendersprüche, die aber mit dem Anspruch grosser Weisheiten von sich gegeben werden. Wenn dann der Leser nach dem zweiten oder dritten Mal merkt, dass Le Guin dies keineswegs als ironisches Stilmittel verwendet, sondern voll und ganz hinter den Sentenzen steht, beginnt er sich zu ärgern. Offenbar wurde so etwas 1968, als Der Magier der Erdsee erschien, noch als wirksame pädagogische Waffe im Kampf gegen die Jugend betrachtet.

Selbst die Story lahmt. Wir erfahren vom kleinen Duny, der, von einer Tante in diversen Zaubereien unterrichtet, schon als kleiner Hosenscheisser sein Dorf mit einem Nebelzauber vor den weissen Eindringlingen aus dem Norden schützt. Er wird deswegen von einem grossen Zauberer als Assistent angenommen. Von da geht’s in die grosse Zauberschule. Dort beschwört Sparrowhawk, wie Duny in der Zwischenzeit genannt wird, in einem Akt infantil-pubertären Angebens nicht nur eine Tote aus dem Zwischenreich, sondern auch einen äusserst gefährlichen Schatten (shadow), der ihn sofort angreift. Nur das Dazwischentreten des Oberzauberers der Schule rettet ihm das Leben – den Oberzauberer kostet diese Hilfe allerdings das seine. Der Rest der Geschichte erzählt, wie Sparrowhawk zuerst vor dem Schatten flieht (Yin), ihn später dann aber jagt (Yan) – immer schön gemäss sentenzenhaft vorgetragenen taoistischen Verhaltensregeln. Dieser mächtige Schatten, diese grosse Gefahr für den ganzen Archipel, entpuppt sich zu guter Letzt als die dunkle Seite in seinem Charakter, mit der Sparrowhawk sich auflehnend-nachgebend versöhnen muss, um sie zu neutralisieren. Ein Riesengedöns also um eine Nullnummer als Lösung.

Um wie viel besser sind doch da Romane für die Jugend von Autoren, die nur unterhalten und nicht belehren wollen… Selbst Rail Sea von China Miéville, das ich nun nicht als den ganz grossen Wurf bezeichnen möchte und dessen Wert vor allem in der geschickten Anverwandlung von Stevenson und Melville besteht, vermag mich mehr zu überzeugen.

2 Replies to “Ursula K. Le Guin: A Wizard of Earthsea [Der Magier der Erdsee]”

  1. Mäßig überzeugend. Zum einen ist LeGuin keine Britin, sondern in Kalifornien geboren und aufgewachsen. Die Harry-Potter-Autorin heißt Rowling, nicht Rawling. Ja, anno 1968 waren taoistische Sprüche noch in, aber doch nicht “im Kampf gegen die Jugend”, was auch immer das gewesen sein soll.

Schreibe einen Kommentar zu Karsten Kruschel Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert