Novalis: Fragmente und Studien / Die Christenheit oder Europa

Schon sehr früh hat sich von Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, der sich als Schriftsteller Novalis nannte, das Bild des ätherischen jungen Mannes mit der Blauen Blume geformt, der seiner früh verstorbenen, blutjungen Verlobten (seinerseits ebenfalls noch sehr jung) nachgestorben ist. Dieses Bild hat sich bis heute gehalten. Nicht ganz unschuldig an diesem Bild sind…

Daniel-Pascal Zorn: Einführung in die Philosophie

Wer von diesem schmalen Büchlein (134 Seiten alles in allem) eine ‘Einführung in die Philosophie’ erwartet, in dem Sinne, dass zum Beispiel philosophische Begriffe erklärt würden oder philosophische Schulen oder auch nur, was ‘Philosophie’ überhaupt sei, wird enttäuscht. Für solches verweist Zorn auf das Historische Wörterbuch der Philosophie bzw. den Grundriss der Geschichte der Philosophie….

Sylvia Plath: The Bell Jar [Die Glasglocke]

Nachdem er das Manuskript gelesen hatte, soll ihr englischer Verleger die Autorin gefragt haben, ob sie sich dessen bewusst sei, dass der Text jede Menge Anhaltspunkte biete für Verleumdungsklagen. Die Antwort Plaths ist nicht übermittelt; jedenfalls wurde das Buch in Großbritannien trotzdem unzensiert veröffentlicht. Allerdings erwirkte Plaths Mutter ein Gerichtsurteil, nach dem es für die…

Max Frisch: Wilhelm Tell für die Schule

Friedrich Schiller hat mit Wilhelm Tell – wohl, ohne dies beabsichtigt zu haben – der Schweiz ein epochales Nationalepos geliefert (auch wenn es sich, strikt gesehen, bei seinem Werk natürlich um ein Drama handelt). Damit hat er dieser Nation einerseits durchaus gute Dienste geleistet. Ohne seine sprachgewaltige Formung der Geschichte um den Tell, wie er…

Robert Walser: Jakob von Gunten

Man lernt hier sehr wenig, es fehlt an Lehrkräften, und wir Knaben vom Institut Benjamenta werden es zu nichts bringen, das heißt, wir werden alle etwas sehr Kleines und Untergeordnetes im späteren Leben sein. Für solche Sätze liebe ich Robert Walser. Im vorliegenden Fall ist des der erste Satz des Romans Jakob von Guten. Darin…

Adelheid Duvanel: Fern von hier

Adelheid Duvanel (1936-1996) war zu Lebzeiten zwar keine ganz unbekannte Autorin. Sie hatte beim renommierten Luchterhand-Verlag drei Bände mit Erzählungen publiziert, und ein vierter sollte 1997 noch postum erscheinen. An diesen Verlag vermittelt worden war sie von keinem geringeren als von Otto F. Walter. Nicht ganz unbekannt also, aber so richtig bekannt nun auch wieder…

Lautréamont: Les Chants de Maldoror [Die Gesänge des M.]

Ob Isidor Ducasse das Pseudonym (Comte de) Lautréamont selber ausgewählt hat, wissen wir nicht. Wir wissen überhaupt wenig über die Entstehungs- und die Publikationsgeschichte der Gesänge des Maldoror. Ja, wir wissen wenig über den Autor selber. Nachdem der erste Druck des ersten Gesangs noch ohne Autorennamen erfolgt war (es stand einfach drei Sternchen an dessen…

Theodor W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben

Wir alle kennen diesen Nachbarn oder Arbeitskollegen, der nicht nur alles weiß, sondern auch alles besser weiß, der alles erklären kann, warum es ist, wie es ist, aber auch gleich hinzufügt, wie es eigentlich sein sollte, wenn es so sein sollte, wie es am besten wäre. Das Maskulinum in vorhergehendem Satz ist dabei keineswegs generisch…

Sylvia Townsend Warner: Lolly Willowes oder Der liebevolle Jägersmann

Schon ein paar Mal habe ich hier meine Ansicht kund getan, dass für mich das so genannte ‘Viktorianische Zeitalter’ im Grunde genommen bereits bei Jane Austen beginnt und erst mit Agatha Christie endet. Das gilt vor allem in Bezug auf gewisse Besonderheiten der englischen Gesellschaftsordnung und die damit verbundene Position der Frau. Ausgeprägter als im…

Mithu Sanyal: Identitti

Quasi als Prolog steht noch vor dem eigentlichen Kapitel 1 dieses Romans ein Kleinkapitel, das den Titel Me and the Devil trägt und aus Identitti stammen soll, einem Blog von Mixed-Race Wonder-Woman. Dieser Blogeintrag enthält in nuce bereits die ganze Thematik, die im Folgenden im Roman ausgeführt werden wird. Ja, schon die ersten paar Sätze…