Als Erstes will ich darauf hinweisen, daß Gustaf Gründgens sich nicht nur „bei den Nazis eingeschleimt und mit braunem Schlamm besudelt“ hat. Dem Sänger und Schauspieler Ernst Busch hat Gründgens‘ Eingreifen das Leben gerettet, wie man u.a. auch auf Wikipedia nachlesen kann. Und es gab mehrere solcher Fälle, weswegen Gustav Gründgens auch recht schnell durch die „Entnazifizierung“ kam. Wie auch immer man alles sieht, auf der positiven Seite seines persönlichen Kerbholzes hat er mindestens diese eine gute Kerbe. Wäre Gründgens in Ausland gegangen, wäre Ernst Busch 1943 gestorben. Deutlich zuspitzend bliebe die Frage, wie viele positive Kerben auf dem Level von vor dem Tod geretteten Lebens Klaus Mann vorweisen kann?
Ich selber habe den Roman immer anders empfunden als die meisten anderen: ich empfand ihn nie rein vorwurfsvoll gegen Gründgens wie anscheinend viele andere, sondern ich fand, Klaus Mann stellt die Zwickmühle eines deutschen Schauspielers in dieser Zeit gut dar: wer etwas Geld oder Verbindungen hatte, konnte mit viel Glück ins Ausland gehen, wo es aber keine Arbeit gab. Denn wo immer man hin geht, braucht niemand einen deutschen Schauspieler, denn man hat ja genug eigene (französische, amerikanische, bolivianische usw.).
Was aber, wenn man kein Geld und keine Verbindungen hat, wenn man aber sein Leben lang darauf hin gearbeitet hat, in dieser einen Sache erfolgreich zu sein, der beste im Land, am besten Ort? Was, wenn das immer verbaut war (durch andere) aber nun möglich ist, zu dem Preis, nahe an die Macht zu geraten, die sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht eindeutig negativ erkennbar gezeigt, sondern zugleich teuflisch gut und böse aussieht? Ein Faustscher Pakt, genau, vor allem bei einem Schauspieler, dessen erste große Rolle am neuen Haus der Mephisto ist.
Ich fand beim Lesen des Romans diese Entscheidung sehr schwer: weg gehen mit hohem Risiko und wenig Aussicht auf Erfolg im eigenen Beruf, letztlich in den eigenen Zielen grandios scheitern. Oder hierbleiben, das eigene Ziel erreichen (bester Schauspieler im ersten Haus des Landes zu sein), sich dafür aber leider mit der Macht einlassen müssen. Rückblickend ist das einfach zu beurteilen, aber der Roman handelt nicht im Rückblick, sondern damals in der Zeit.