In Abwandlung eines bekannten Witzwortes über die Ehe kann man sagen, dass die Theologie das Bemühen ist, Probleme zu lösen, welche man ohne die Theologie gar nicht hätte. Unter all den antiken Meinungsäußerungen, die Montaigne so fleißig abschreibt, befindet sich auch diese:
„Strato, que c’est nature ayant la force d’engendrer, augmenter et diminuer, sans forme et sentiment.“
Das ist ausnahmsweise ein vernünftiger Satz. Demgemäß hätte Montaigne sich und uns seinen ellenlangen Sermon ersparen können. Dabei ist es erstaunlich, wie selbstverständlich der Sieur annimmt, wenn etwa Platon oder Seneca von (einem) „Gott“ reden ohne zu spezifizieren, wäre das derselbe wie der von der römisch-katholischen Kirche approbierte. Sogar der Plural stört ihn nicht, auch hart nebeneinander:
„/Melius scitur Deus nesciendo/, dit saint Augustin. Et Tacitus, /Sanctius est ac reuerentius de actis Deorum credere quam scire./“
Und es kommt noch krasser:
„Cleobis et Biton, Trophonius et Agamedes, ayant requis ceux-là leur Déesse, ceux-ci leur Dieu, d’une récompense digne de leur piété, eurent la mort pour présent : tant les opinions célestes sur ce qu’il nous faut, sont diverses aux nôtres.“
Da demnach der wahre Gott an Hera und Apollon gerichtete Gebete erhörte, obwohl in besagten Fällen nicht ganz im Sinne der Betenden, hätte es die Polemik der Kirchenväter gegen den Götzendienst der blinden Heiden nicht gebraucht, ebenso wie die im selben Essai dann doch noch erfolgende Abgrenzung:
„Ô Dieu, quelle obligation n’avons-nous à la bénignité de notre souverain créateur, pour avoir déniaisé notre créance de ces vagabondes et arbitraires dévotions, et l’avoir logée sur l’éternelle base de sa sainte parole ?“
Warum also zitiert Montaigne nur selten die Heilige Schrift, aber am laufenden Band Werke von in umherirrend willkürlicher Frömmigkeit Befangenen?
Was er von deren Spekulationen über ihr Pantheon referiert, ähnelt mitunter neueren Versuchen, wenn schon nicht den weißen Bart, doch immerhin den Begriff zu bewahren, auch wenn sich solche Denker darunter weiß Gott etwas anderes vorstellen als die ursprünglichen Erfinder, sofern sie sich darunter überhaupt etwas vorstellen. Derartige Notbehelfe hat bereits Sigmund Freud angemessen abgefertigt:
„Man möchte sich in die Reihen der Gläubigen mengen, um den Philosophen, die den Gott der Religion zu retten glauben, indem sie ihn durch ein unpersönliches, schattenhaft abstraktes Prinzip ersetzen, die Mahnung vorzuhalten: Du sollst den Namen des Herrn nicht zum Eitlen anrufen!“ (Das Unbehagen in der Kultur, II)