Zwei Kommentare: 1. Das hier angesprochene Problem der Rückkehr traumatisierter Soldaten aus einem als sinnlos empfundenen Krieg betrifft auch Bundeswehrangehörige, die nach 2001 in Afghanistan eingesetzt wurden. Die Begründung lautete zuerst: Solidarität mit Amerika in G. Bushs nach dem Anschlag vom 11. September verkündeten „Krieg gegen den Terror“, dann wollte man irgendwie Demokratie in Afghanistan einführen und Deutschlands Sicherheit „am Hindukusch verteidigen“. Die Stammeskämpfer, mit denen schon die sowjetische Armee zu tun hatte, verfolgten jeweils eigene Interessen, in immer neuen Wellen fielen Talibanangehörige über die von Regierungstruppen gehaltenen Befestigungen her, die von der Zivilbevölkerung nicht zu unterscheiden waren. Die Engländer konnten sich nicht in Afghanistan festsetzen, die Russen nicht und die ausländischen Truppen in der Gegenwart können es auch nicht. Zwar sind im Vergleich zu den sowjetischen Einheiten die Menschenverluste bei der Bundeswehr vergleichsweise „gering“, doch ist jedes Menschenleben wertvoll. Kriegsrückkehrer erzählten mir von der Situation: „Was machst Du, wenn ein Kind mit einem Sprengstoffgürtel (oder einem Teil, das so ähnlich aussieht) auf Deine Einheit, Deine Kameraden zukommt?“ Auf so eine Kriegführung war man nicht vorbereitet. Auf die posttraumatische Belastungsstörung ausgebildete Ärzte und Psychologen reichen bei weitem nicht, da schon die Zunahme der Brutalisierung im Land selbst zunehmend nach solchen Spezialisten verlangt.
In der Bundesrepublik wurde nie eine öffentliche Debatte über Kriegsziele außerhalb des NATO-Bündnisgebietes und des Geltungsbereiches des Grundgesetzes geführt, erst sehr spät wurde der Krieg überhaupt Krieg genannt. Die Ihr in der Schweiz lebt, könnt froh sein ob der Neutralität. Wir DDR-Bürger wurden „wiedervereinigt“ mit einem Land, das zur NATO gehörte, jedoch 1990 noch in keine Kriege verwickelt war.
2. Tausende DDR-Bürger waren ebenfalls in den 1970er Jahren in unerklärten Stellvertreterkriegen im Einsatz, als Militärberater in vielen Ländern. Der Einmarsch in Afghanistan im Dezember 1979, dem selbst in der sowjetischen Führung, wenn auch zaghaft widersprochen wurde (so sicher war sich L.I. Brezhnew anfänglich nicht), sollte beeindrucken: Im Minutentakt langten in Anwesenheit ausländischer Botschafter auf dem Flugplatz in Kabul die sowjetischen Militärmaschinen mit Soldaten und Kriegsgerät. Man war rasch in einem Krieg, wie würde man aber nach entsprechendem Engagement wieder herauskommen, wie sollte die Friedenslösung aussehen.
Wenn man auf die politische Landkarte blickte, dann waren auf mehreren Kontinenten Regimes an der Macht, die sich als „marxistisch-leninistisch“ bezeichneten, wie die Gruppe um Babrak Karmal, die gerade in Afghanistan an der Macht war. In der Volksdemokratischen Republik Jemen machten sich die Marxisten-Leninisten untereinander nieder (heute brauchen sie nicht mehr einen solchen ideologischen Mantel. In Afrika folgten Guinea, die ehemaligen portugiesischen Kolonien Guinea-Bissau, die Volksrepubliken Angola und Mozambique, Äthiopien, die Volksrepubliken Kongo(-Brazzaville), Madagaskar (unter Didier Ratsiraka), Benin dem sowjetischen Kurs, in Asien das wiedervereinigte Vietnam und Laos, in Mittel- und Lateinamerika Kuba und seit 1979 Nikaragua. In Syrien und im Irak bildete die DDR Armeeangehörige, Siocherheitskräfte und Lehrer aus – es ist kein Zufall, dass gerade in diesen beiden heute verwüsteten Ländern ein säkularisiertes Schulwesen aufgebaut worden war. Kurzum: der Einfall in Afghanistan 1979 mag als sinnlos erscheinen, wenn man vom Ende her auf den Ausgang des Krieges 1989 schaut. Die Sowjetunion wollte der Kette von Verbündeten ein weiteres Glied hinzufügen. Afghanistan hatte zwar weniger Bodenschätze als etwa der Irak (Losung beim 1. Golfkrieg 1991: „Kein Blut für Öl“; 2003 in Berlin eine Million Demonstranten gegen Bushs Kriegspläne), jedoch eine strategische Bedeutung im Herzen Asiens, in der Nähe der „Seidenstraße“. Die Chinesen können zusehen, wie sich Russen, Amerikaner und Europäer in Afghanistan militärisch verausgaben, das noch nie eine Kolonie war und nicht dauerhaft besetzt werden kann, und dann in der Wirtschaft „übernehmen“.