Ich habe offenbar sehr viel weniger auf mögliche Inkonsistenzen in der Erzählstruktur achtgegeben, das Collagenhafte scheint ja auch gewollt, andere Ungereimtheiten sind möglicherweise auf den Entstehungszeitraum zurückzuführen (Johnson hat ja fast bis zu seinem Tod an diesem Roman – letztlich unter finanziellem Druck – geschrieben). Aber – wie gesagt – das hat mich eigentlich nicht tangiert, im Gegenteil: Diese Uneinheitlichkeit macht für mich einen Teil des Reizes aus, den der Roman auf mich ausgeübt hat.

Noch am ehesten hat mich das Ende von DE gestört: Dieser Tod schien aufgesetzt, bezugslos zur Handlung, wie überhaupt man im letzten Teil die – teils – vergeblichen Bemühung zu spüren glaubt, alle Fäden zusammenzuspinnen bzw. zusammenzuhalten. Aber im Grunde waren das für mich Nebensächlichkeiten, ich habe den von dir beschriebenen Sog verspürt und gänzlich – ohne von des Gedankens Blässe angekränkelt – den Roman einfach genossen. Es klingt ein wenig nach billiger Beschönigung: Aber das Disparate des Romans, die Brüche habe ich nicht als störend, manchmal sogar als Qualität empfunden.

Was den Tod der Mutter Gesines angeht: Es bleibt zwar (bewusst?) ein wenig unklar, aber hier ist wohl von Suizid auszugehen: Die Predigten des Pastors, die Schwierigkeiten beim christl. Begräbnis deuten darauf hin (zumindest darauf, dass die Personen im Buch das annahmen). Wie auch – immer fun-fact am Rande: Ich, der ich mit Chat-Gpt eigentlich so gar nichts am Hut habe, aufmerksam geworden erst durch die Begeisterung meines Nachwuchses für Hausübungen, dann durch Giesberts kritische Stellungnahmen, habe mich erfrecht, die Frage nach dem Tod von Gesines Mutter zu stellen. Die Antwort ist einfach nur abenteuerlich, alles ist völlig frei erfunden und hat nicht den geringsten Bezug zum Buch, noch nicht einmal die Namen stimmen. So schlimm hatte ich mir das nicht vorgestellt.

„Gesine Cresspahls Mutter, Katharina, stirbt in Uwe Johnsons Roman „Jahrestage: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl“ an einer Lungenembolie. Diese Information wird im Verlauf des Romans enthüllt und stellt ein zentrales Ereignis in der Geschichte dar. Katharinas Tod hat tiefgreifende Auswirkungen auf Gesine und prägt ihre Erinnerungen und Erzählungen. Die detaillierte Schilderung der familiären und historischen Hintergründe in „Jahrestage“ macht deutlich, wie persönliche Schicksale und historische Ereignisse miteinander verknüpft sind.“