Mit dreieinhalb Jahren Abstand würde ich dieses Urteil so nicht mehr fällen. Bei der Zweitlektüre gab es Vieles, das mir missfallen hat (und ich habe selten eine so starke Diskrepanz zur ersten Lektüre bei einem Sachbuch gespürt wie hier).

Das liegt an seinem Hang zur Psychoanalyse, an dem teilweise unreflektierten Umgang mit Quellen und Studien (der von ihm so hochgelobte Michael Merzenich mit seinem FastForWords-Programm konnte die von ihm – und Doidge – referierten Ergebnisse nicht wiederholen, im Gegenteil: Alle nachfolgenden Studien habe keinen Nachweis der Wirksamkeit dieses Programmes erbracht), seiner Unkenntnis der Philosophiegeschichte (von Rousseau und anderen Aufklärern scheint er bestenfalls Ausschnitte zu kennen), der Redundanz des Buches: Das sich auf die Aussage „unser Gehirn ist veränderbar“ reduzieren lässt. Und es ist auch ein Buch der Form, dass sich für alles und jedes eine Studie finden lässt. Verglichen mit dem Buch von Sapolsky spielt dieses jedenfalls in einer völlig anderen Liga. Und während ich bei letzterem nie den Eindruck hatte, dass er das Buch aus ökonomischen Gründen geschrieben hat, hatte ich bei Doidge den Eindruck, dass es sich bei ihm um jemanden handeln könnte, der sich sehr gut verkaufen kann.

Am meisten Kopfzerbrechen macht mir aber mein eigenes Urteil (das ich trotz allem jetzt mal so stehen lasse): Es zeigt mir – u. a., dass das Vergnügen an einem Buch von zahlreichen Unwägbarkeiten abhängig zu sein scheint und keineswegs in Stein gemeißelt ist. In dieser Intensität habe ich das kaum jemals empfunden.