Caroline Fourest: Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei

Caroline Fourest ist eine französische Publizistin und Filmemacherin, die sich u. a. einsetzt für Gleichberechtigung der Geschlechter und Lebensformen. Sie selber ist bekennende Lesbe (so im Text). Im vorliegenden Essay (der, anders als das kürzlich besprochene Buch von Helmut Ortner, einen einzigen zusammenhängenden Text darstellt) spricht sie ziemlich genau das gleiche Thema an, das ich…

Anne Weber: Annette, ein Heldinnenepos

Annette, mit bürgerlichem Namen Anne Beaumanoir, heißt die Heldin des vorliegenden Heldinnenepos. Es gibt sie also wirklich; sie ist 1923 in der Bretagne zur Welt gekommen und fährt unseres Wissens noch heute mit dem Auto durch Frankreich, auf dem Weg zu Vorträgen und Seminaren, aber natürlich auch zum Besuch von Freunden und Verwandten. Sie ist…

Qiu Miaojin: Aufzeichnungen eines Krokodils

Taipeh, im Jahr 1987: Im Zuge der allgemeinen Liberalisierung der Verhältnisse auf Taiwan wurde ein seit 1949 dauernder Ausnahmezustand beendet. 1987 ist das Jahr, in dessen Herbst die zunächst namenlose Protagonistin und Ich-Erzählerin vom College in eine Elite-Universität Taipehs übertritt. Vier Jahre lang, bis zu ihrem Bachelor-Diplom, werden wir ihr durch ihr Leben folgen. Der…

Friedhelm Decher: Die Signatur der Freiheit

Es gibt zahlreiche Versuche, das entscheidende Merkmal des Menschen (das ihn dann vom Tier unterscheiden soll) herauszuarbeiten: Homo politicus, Homo ridens, Homo ludens oder Homo religiosus, in der Anthropologie Homo ergaster oder Homo faber und in der Ökonomie Homo oeconomicus mit seinem Widerpart, dem Homo reciprocans. Und es gibt natürlich auch einen Homo suicidalis, denn…

Sarah Bakewell: Das Café der Existenzialisten

Ich gehe mit Sandhofers Einschätzung dieses Buches weitgehend konform: Eine gut geschriebene, anekdotenreiche Philosophiegeschichte, der es auf eindrucksvolle Weise gelingt, die oft sperrigen Inhalte der Existenzialisten klar darzustellen, ohne dabei unzulässig zu verkürzen oder zu vereinfachen. Wobei auch die zweifelhaften Züge der “mitwirkenden” Philosophen nicht unter den Tisch gekehrt werden, Heideggers Nationalsozialismus wird ebenso erwähnt…

Sarah Bakewell: Das Café der Existenzialisten. Freiheit, Sein und Aprikosencocktails

Halb Philosophiegeschichte, halb (Mehrfach-)Biografie, stellt Sarah Bakewells Buch das Entstehen und Vergehen der existenzialistischen Bewegung dar. Es fehlen auch romanhaft-reisserische Momente nicht, so, wenn zum Beispiel die Rettung (fast des ganzen) Nachlasses von Edmund Husserl durch die Universität Löwen geschildert wird. Im Zentrum der Darstellung stehen die französischen Existenzialisten, allen voran Jean-Paul Sartre und Simone…

Dino Buzzati: Die Tatarenwüste

Schon nach wenigen Seiten weiß man: Ohne Kafka wäre das so nie geschrieben worden. Das muss nun noch nichts bedeuten, auch wenn gerade Kafka-Epigonen sich in besondere Gefahr begeben: Denn es reicht nicht, surreale Traumwelten zu erschaffen, man muss sie sprachlich als auch – und vor allem – inhaltlich bewältigen, wovon die zahlreichen (mediokren) Traumsequenzen…

Hanna Scotti: Sissipha oder die alte Närrin

Vermutlich existiert in den Weiten des Internet ein Mehrfaches an Blogs, in denen die Leute eigene Gedichte vorstellen, als Blogs, in denen nur oder hauptsächlich Gedichte besprochen werden. Zu diesem Buch war ursprünglich einmal eine sog. ‘Blogtour’ angedacht gewesen, die mangels Interesse nicht zustande kam. Selbst aus dem professionellen Feuilleton verschwindet Lyrik immer mehr, will…

Patrick Modiano: Pour que tu ne te perdes pas dans le quartier

Patrick Modianos neuester Roman stammt aus dem Jahr 2014 und ist meines Wissens noch gar nicht auf Deutsch übersetzt. (Der Hanser-Verlag wurde offensichtlich mit der Vergabe des Literaturnobelpreises an Modiano völlig auf dem falschen Fuss erwischt.) “Pour que tu ne te perdes pas dans le quartier.” (auf Deutsch etwa: “Damit du im Quartier nicht verloren…

Hermann Burger: Essays und Preis-Reden / Die allmähliche Verfertigung der Idee beim Schreiben / Tractatus logico-suicidalis

Essays Dieser Teil des achten und letzten Bandes der Burger-Werkausgabe beinhaltet Texte von Burger über sein eigenes Schreiben. Es handelt sich zum Teil um sehr frühe Aufsätze (noch aus Burgers Zeit als Germanistik-Student). Es fällt auf, dass schon der Student dem Literaturbetrieb, dem Literaturwissenschafter sehr kritisch gegenüber steht. In vieler Hinsicht ist Burger noch (wieder?)…