Jean Paul: Dr. Katzenbergers Badereise

Der kurze Roman Dr. Katzenbergers Badereise ist 1809 erschienen. Jean Pauls Stern beim Publikum war bereits am Sinken. Auch der Katzenberger sollte dies nicht ändern, obwohl er 1822 noch eine Neuauflage erlebte. Dr. Katzenberger ist Arzt, Zyniker, Kotz- und Ekelbrocken in einem. Witwer, lebt er mit der einzigen, unterdessen mannbaren Tochter alleine. Dieser verbietet er strikt, ihre Freundinnen zu sich einzuladen, geizig ist er nämlich auch. Erlauben wird er ihr solche harmlosen Vergnügungen nur, wenn zu 100% feststeht, dass das Wetter so horribel sein wird, dass alle Freundinnen dankend verzichten. Der Ehrenkodex der Zeit verlangt es nämlich, dass diese Freundinnen den angetanen Tort mit einer eigenen Einladung wieder gut machen müssen, und so kommt es, dass Theoda (das ist der Name von Katzenbergers Tochter) reihum eingeladen wird, ohne dass dies den ihren Vater viel kostet.

Und nun plant er eine Reise nach Bad Maulbronn. Weniger um dort die Wasser zu benutzen, mehr, um seiner Tochter doch eine Belustigung zu bieten, am meisten aber, weil er im dortigen Badearzt den Rezensenten erkannt hat, der seine (Katzenbergers) letzten paar Werke schlecht gemacht hat, ohne sie jedoch jemals gelesen zu haben. Nun will Katzenberger den Rezensenten rezensieren – sprich: verprügeln. Geizig wie er ist, sucht er Reisegesellschaft, die gegen Bezahlung mitkommen soll. Er lässt eine diesbezügliche Annonce ins Lokalblatt einrücken. Damit ist nun allen Schnorrern (“Ach, Sie fahren nach Bad Maulbronn? Sagen Sie, könnte ich nicht ein Stück …?”) der Riegel vorgeschoben. Es meldet sich aber doch noch jemand: ein Herr von Nieß. Nieß heisst eigentlich Theudobach; doch nein, eigentlich heisst er Nieß. Er schreibt aber unter dem Pseudonym “Theudobach” mässig gute, aber äusserst erfolgreiche Dramoletten. Auch Theoda kennt welche und ist sehr entzückt, dass der Freund des Autors (als solchen führt sich Nieß ein) mitreisen will, hofft sie doch, möglichst viel über den verehrten Musensohn zu erfahren. Nieß seinerseits plant bis in alle Details, wie er sich anlässlich einer Vorlesung dem Publikum selber entdecken will, in aller Bescheidenheit natürlich.

Es kommt natürlich anders. Nieß’ Selberentdeckung wird durch einen gerade im kritischen Moment erscheinenden wirklich “Theudobach” heissenden Offizier empfindlich gestört. Dieser Offizier hat über Festungswerke geschrieben, hält sich also so gut für einen richtigen Autor wie Nieß, dessen “Theudobach’schen” Werke er wiederum nicht kennt. Es dauert eine Weile, bis die Verwechslungen aufgelöst sind, und in der Zwischenzeit leiden nicht nur beide Männer, sondern auch Theoda, deren Gefühle arg in Mitleidenschaft gezogen werden.

Der einzige, der sich köstlich amüsiert, ist Katzenberger. Er hat seinen Badearzt gefunden und lässt ihn ordentlich zappeln. Erst die Gabe einer abgedorrten sechsfingrigen Hand kann ihn davon abhalten, den Badearzt zu verprügeln – den Monster und Ekelhaftes sind für Katzenberger, was Sonnenauf- und untergänge sowie Lerchengesänge für seine Tochter. Zum Schluss kommen dann doch alle, mit Ausnahme des Pseudo-Theudobach, zufrieden und glücklich nach Hause. Theoda und Theudobach sind ein Paar, und Katzenberger hat ein Paar Monster mehr in seiner Sammlung (nämlich einen achtbeinigen Hasen und oben genannte Hand).

Ursprünglich ist der Katzenberger entstanden als Zugpferd für eine Sammlung kleinerer Schriften, die herauszugeben Jean Paul sich beeilte, da der Jenaer Buchhändler Voigt eine solche als Raubdruck veranstaltet hatte. Im Grunde genommen müssen wir Voigt dafür dankbar sein, denn mit dem Katzenberger steht der vielleicht gelungenste, abgerundetste Charakter aus Jean Pauls Werkstatt vor uns – im vielleicht gelungensten und abgerundetsten Roman. Der Abschweifungen sind wenige (auch wenn Jean Paul nicht auf seine gelehrten Fussnoten verzichten kann.) Katzenberger mit seinen Idiosynkrasien ist gerade so überhöht, um interessant, gerade wenig genug, um nicht unglaubwürdig zu sein. Seine Ekelgeschichten, die er an der Bad Maulbronn’schen Table d’hôte auftischt, bleiben dem Leser jedenfalls unvergesslich.

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