Von Zeit zu Zeit packt es mich, und ich mache mich an grössere oder kleinere Leseprojekte. So eines sind zur Zeit die „Dämonen“. Dostojewskijs Werk habe ich vor einiger Zeit schon gelesen, und da ist aktuell auch keine Wiederlektüre geplant. Dann ist mir jetzt Heimito von Doderers Werk untergekommen, und vor kurzem, an der MMC, war ich an einer Lesung, wo der deutsche Gegenwartsautor Tobias O. Meißner aus dem zweiten Band seiner ebenfalls „Die Dämonen“ betitelten Trilogie vorlas. In einem Leserundenvorschlag im Klassikerforum wurde dann auch noch Camus‘ „Les possédés“ eingebracht. Nachdem ich schon nach der Lesung beschlossen hatte, Meißners Trilogie mir ebenfalls zu Gemüte zu führen, habe ich nun auch Camus noch angeschlossen.
Thematisch werden die Werke wohl wenig miteinander zu tun haben, ausser, dass alle im Titel auf Dostojewskijs Roman zurückweisen. Über die Übersetzungsprobleme bei den Titeln von Dostojewskijs Romanen will ich mich hier nicht äussern. Trotz zwei Jahren Russisch-Unterricht am Gymnasium spreche und schreibe ich diese Sprache höchstens in Ansätzen.
Auch bin ich nicht sicher, ob der Russe nicht auch gern ein wenig überschätzt wird. Die Literaturkritik hat die Tendenz, jeden Autor, der den Wahnsinn im sog. „Normalen“ nachweist, als feinsinnigen Psychologen (oder ähnlich) zu bezeichnen; einen Autoren, der das Normale im sog. „Wahnsinnigen“ nachweist als genialen Psychologen. Bei Dostojewskij trifft sicher das zweite zu – aber ist das schon grosse Kunst? Seine Figuren sind exzentrisch. Kaltblütig wird von einer Gruppe junger Leute versucht, eine abstruse und krude Weltanschauung durchzusetzen. Dabei wird v.a. getestet, ob die Folgsamkeit (um nicht zu sagen „Hörigkeit“) gegenüber dem Anführer in genügendem Masse vorhanden ist, und so werden Morde begangen und einander in die Schuhe geschoben. „Besessen“ sind diese Leute allenfalls von ihrer Idee – und auch da bei weitem nicht alle.
Dostojewskijs Figuren sind Wesen, deren Wesen ich nicht wirklich nachvollziehen kann. Bei Zolas Figuren habe ich immer den Eindruck, der platten Maschine Mensch gegenüber zu stehen, einer in ihren Attitüden vorhersagbaren Reiz-Reaktions-Maschine im Sinne von Watsons Behaviorismus. Dostojewskijs Figuren dagegen sind für mich eine Art Black Box. Ich kann nicht vorhersagen, welche Reaktion ein bestimmter Reiz bei ihnen auslösen wird; ich kann auch im Nachhinein nicht nachvollziehen, warum diese Reaktion nun auf diesen Reiz zu folgen hatte.
In diesem Sinne sind alle Figuren Dostojewskijs „dämonisch“ …
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