MMC, Berlin, 21.-23. Okt. 2011

Von Zeit zu Zeit, so alle sechs Jahre, überwältigt mich der Völkerkundler in mir und ich ziehe los, ein fremdes Volk zu beschnuppern. Und so waren dieses Wochenende die Stammesmitglieder des Manga-Volks an der Reihe.

„Manga“ nennt sich die japanische Form des Comic Strip. Sie ist erkennbar daran, dass sie – selbst wenn sie auf Deutsch geschrieben wurde – von hinten nach vorn und von rechts nach links gelesen wird. Auch der Zeichenstil ist eindeutig. Das hat zur Konsequenz, dass unerfahrene Zeichner ihre Figuren oft so gestalten, dass sie sich allzu ähnlich sehen und nur über äussere Attribute unterscheidbar sind bzw. unerfahrene Leser auch schon mal die Manga-Hefte am falschen Ende zu lesen beginnen.

Inhaltlich finden wir oft und gern den Kampf „Gut gegen Böse“ dargestellt, gerne auch mit Hilfe übersinnlicher Mächte bzw. Kräfte. „Superman“ und seine Freunde lassen grüssen. In literarische Kategorien eingeordnet, befinden wir uns vor Science Fiction oder Fantasy. Und wie auch andere in diesem Sektor beheimatete Trivial-Künste hat auch der Manga seine Fans, seine spezialisierten Verlage und seine Stars. Dieses Gefühl, in einer Gruppe zu Hause zu sein, muss gepflegt werden, und dafür dienen dem Manga-Völkchen seine Conventions genau so wie sie es dem Trekkie oder dem Perry-Rhodan-Fan tun. Und typischerweise nennt auch es sie „Convention“ und nicht „Treffen“ oder „Zusammenkunft“.

Auf Einladung eines Verlags durfte ich nun an der sechsten Ausgabe der MMC, der „Mega-Manga-Convention“ in Berlin dabeisein. Ich lese keine Mangas und habe auch nach der Convention nicht im Sinn, das zu ändern. Sie sind nicht „mein Ding“. Dennoch fand ich den gewonnenen Einblick faszinierend. Händler, Autoren, Zeichner, Fans finden sich in einem engen Zusammenhalt wieder, wie ich dies auch an einer Perry-Rhodan-Convention gefunden habe. Man kennt sich halt. Noch stärker ausgeprägt fand ich allerdings den Hang zur Imitation. Man kopiert die Kostüme seiner Helden, schminkt und frisiert sich wie sie. (Oder man behilft sich mit Perücken.)

Damit mag schon das Publikum angedeutet sein. Der typische Manga-Convention-Besucher war eine Besucherin, vielleicht knapp volljährig, in einem sorgfältigst selber gearbeiteten Kostüm. Meist leicht über-, manchmal aber auch etwas unterernährt. Da das eigene Leben nicht genügt, wird es in Verkleidung weiter geführt. Das ist ja auch gerne das Thema des Mangas: Schulmädchen rettet als Superheldin die Welt. Der ganz normale Eskapismus der Entwicklungsjahre wohl …

Natürlich gibt es auch andere Mangas. Vor allem der Erotik wird in vielen dieser Mangas wohl auch gehuldigt. Ich sah Zeichnungen eindeutig erotisch-homosexuellen Inhalts (Stichwort: „Boy Love“) und Kostüme, die nicht mehr viel zu erraten übrig liessen. (Auch das wohl normal in den Entwicklungsjahren, wo man seinen Körper und dessen Beziehungen zu sich und der Umwelt kennen zu lernen beginnt.)

Inhaltlich plätschert so eine Convention halt so vor sich hin, in Gross- und Kleinveranstaltungen, Workshops, Verkaufsräumen etc. Lesungen aus „normalen“ Büchern, die auch stattfanden, und denen ich dann auch beiwohnte, äusserst schlecht besucht. Böse gesagt: Diese Bücher haben halt keine Zeichnungen drin. Interessant die Lesung von Tobias O. Meißner, den ich bisher für einen simplen Fantasy-Autoren hielt, der aber sprachlich zumindest in seinem neuesten Werk, einer Trilogie namens Die Dämonen, mich überraschte. Er weiss, wie er seine Figuren zu führen hat und beherrscht die Tempowechsel perfekt. Vielleicht ein zweiter Karl May, der im Spätwerk zu literarischer Qualität aufsteigt? Jedenfalls habe ich mir den Namen gemerkt. Bei anderen Lesungen fragt man sich allerdings, wie ein sprachlich derart nach Schema F frisiertes Werk ein Lektorat übersteht. (Denn Selbstverlag war es nicht.) Da steht nun die arme Frau, hält sich für eine Autorin, weil sie einen Roman veröffentlicht hat, und träumt schon davon, ihr nächstes Buch in einem grösseren Verlag herauszugeben. Dabei hat nur das Lektorat versagt …

Man sieht: Mehr als die Kostüme, mehr als die Mangas selber, hat mich halt trotz allem der literarische Teil interessiert. Und das wird wohl so bleiben.

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