Christoph Martin Wielands sämmtliche Werke. Siebzehnter und achtzehnter Band

Zusammen mit den Bänden 19 und 20 füllen N° 17 und 18 den Band VI der Greno-Ausgabe. N° 19 und 20 enthalten die Geschichte der Abderiten, die ich erst vor kurzem hier vorgestellt habe, weshalb ich nur den ersten Teil von Band VI hier noch vorstellen möchte.

Sowohl Band 17 (Idris und Zenide) wie Band 18 (Erzählungen und Mährchen) enthalten genau dieses: Erzählungen und Märchen. Meist versifiziert und recht kurz. Sie gleichen sich inhaltlich alle mehr oder weniger, was wohl an der Gattung liegt. „Mährchen“ ist für Wieland nicht genau das, was „Märchen“ heute für uns ist. Unser Begriff ist gesättigt mit Reminiszenzen an die Märchen der Gebrüder Grimm; wir verstehen darunter Geschichten, die im „Volk“ kursierten, in den Spinnstuben der armen Leute, die sich die mühsame Arbeit am Spinnrad mit Spukgeschichten und ähnlichem erleichterten. Dass die beiden Grimms ihrer Sammlung den Titel „Kinder- und Hausmärchen“ gaben, führte dann zum heute geläufigen Missverständnis, dass alle diese Geschichten den Kindern erzählt worden seien.

Für Wieland ist „Mährchen“ etwas anderes. Er versteht darunter, was wir heute „Kunst-Märchen“ nennen – Geschichten, die erfunden sind und einen ganz bestimmten Autor haben, der eben nicht „das Volk“ ist. Hier ist Wieland dezidiert nicht romantisch. (Oder, um genauer zu sein, das Vorbild nur der frühen Romantik, die ja mit Ludwig Tieck selber einen Kunst-Märchen-Erzähler ersten Ranges hervorbrachte.)

Wenn Wieland selber „Mährchen“ schreibt, orientiert er sich auch ganz bewusst an Vorbildern. Da sind einmal die Geschichten aus 1001 Nacht, die gerade begonnen hatten, literarisches Aufsehen zu erregen in Europa. Das fremdländische Setting muss Wieland angesprochen haben. Dennoch sind es nur wenige Geschichten in den zwei hier vorliegenden Bänden, die Wieland ins Morgenland versetzt. Schon mehr scheint sich Wieland für die Geschichten um die Ritter der Tafelrunde interessiert zu haben. Kein Wunder, haben diese Geschichten doch auch seine Lieblinge am meisten beeinflusst: die Autoren und Autorinnen der französischen (Trivial-)Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts.

Denn einen bedeutend grösseren Einfluss übten ganz eindeutig die „Comtes de fées“ auf Wieland aus, die Feen-Erzählungen aus dem Französischen, die er auch in den Abenteuern des Don Sylvio von Rosalva ausgebeutet hatte. Bei deren Kämpfen von Feen gegen Zauberer, Feen gegen Feen und Zauberer gegen Zauberer, Gut gegen Böse, konnte Wieland offenbar lange und gerne verweilen. Kein Wunder, sind die meisten „Mährchen“ von Band 17 und 18 diesen französischen Vorbildern nachempfunden. Es ist aber zu sagen, dass, wo die Franzosen (um genau zu sein, orientiert sich Wieland meist an Autorinnen von Feen-Geschichten), dass also, wo die Französinnen ihre Geschichten in allem Ernst verstanden haben wollten, Wieland immer eine gehörige Portion Ironie walten lässt. Zu sehr ist er sich der Lächerlichkeit jener Feenwelt bewusst, als dass er sie nicht an den Pranger stellen kann.

Einen letzten, etwas versteckteren Einfluss dürfen wir nicht vergessen. Immerhin war Wieland der erste, der ihn ins Deutsche übersetzt hat: William Shakespeare. A Winter’s Tale gibt es auch in Band 18: Das Wintermährchen. Das hat zwar inhaltlich wenig direkt mit dem Briten zu tun, aber man fühlt sich ganz allgemein bei Wielands Kunst-Märchen immer und immer wieder in die Welt der barocken Märchen-Dramen aus England versetzt.

Somit liefern Band 17 und 18 nettes Kurzfutter für den literarischen Hunger zwischendurch. Auch wenn Wieland nicht in absoluter Höchstform ist, kann er doch durch seine Sprache und seine Ironie immer wieder kleine literarische Kostbarkeiten kreieren.

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