Zu Röds “Gott der reinen Vernunft”

Ein vorzügliches Buch, das eine mehr als umfassende Analyse des ontologischen Gottesbeweises bietet (im Gegensatz etwa zu Mackies Buch, das sich mit Gottesbeweisen der unterschiedlichsten Herkunft auseinandersetzt, so auch dem kosmologischen, teleologischen oder moralischen Argument). Diese Beschränkung macht das Buch weniger umfangreich, zeigt aber anhand der zu verschiedenen Zeiten vorgetragenen “Beweise” die Entwicklung dieser rationalistischen Methode und ist daher auch als eine Art der Ideengeschichte der Philosophie lesbar.Begonnen wird mit Anselm, wobei die prinzipielle Konzeption über die Jahrhunderte gleich bleibt: Man meint aus rein rationalen Überlegungen (Definitionen) den Schluss auf die Existenz des zu Definierenden ziehen zu können. Vereinfacht dargestellt ist Gott etwas, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann (et quidem credimus te esse aliquid quo nihil maius cogitari possit). Da nun aber etwas, dass auch tatsächlich existiert, eine höhere “Seinsmächtigkeit” besitzt als dasjenige, das nicht in realiter existiert, muss Gott (als das, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann) notwendigerweise existieren (im übrigen hat auch Gödel ähnlich argumentiert).

In weiterer Folge wurde dieses Argument von Descartes, Spinoza und Leibniz in verschiedensten Abänderungen wieder verwendet, wobei den erwähnten Philosophen es weniger um die Intention des Anselm von Canterbury ging (der einfach nur zeigen wollte, dass der Gott, an den er ohnehin glaubte, auch rational einsichtig sei), sondern um eine Fundierung ihrer Ontologie (so braucht Descartes Gott um seinen “genius malignus”, der den Menschen täuscht, auszuschalten). Das Großartige an Röds Ausführungen ist (speziell in Bezug auf Spinoza und Leibniz) die vollkommen klare und nachvollziehbare Darstellung der Notwendigkeit eines solchen Gottes in bezug auf deren Philosophie, eine Philosophie, die etwa bei Leibniz doch recht sperrig ist, die aber anhand der Überlegungen des Autors vollkommen klar wird. So gesehen sind etwa die Abschnitte, die sich auf Leibniz beziehen, auch als eine brilliante und kaum je in dieser Klarheit erreichte Einführung in dessen Philosophie zu lesen. (Das aber ist ein Talent Röds, das sich auch in seiner Philosophiegeschichte wiederfindet: So ist sein Aristoteleskapitel im entsprechenden Band von ganz außergewöhnlicher Qualität.)

Bei Kant (in der Nachfolge von Hume) ändert sich schließlich die Richtung der Kritik: Für ihn ist es unmöglich, aufgrund rein rationaler Überlegungen zu einem Gott zu gelangen, dem dann im Anschluss auch aktuale Existenz zugesprochen werden kann. Kant weist darauf hin, dass Existenz kein Prädikat im üblichen Sinne sei (und nimmt damit etwa Frege oder Russel vorweg) und Existenz ohnehin nur von empirischen Erscheinungen ausgesagt werden kann. Somit ist eine rationalistische, ontologische Argumentation ein Unding: Kant beweist seinen Gott nicht dadurch, dass er als Grund für die Übereinstimmung von Denken und Sein fungiert (dies hat er nicht notwendig, da für ihn die kategoriale Verfasstheit des Subjekts diese Übereinstimmung erzeugt), sondern – in der praktischen Vernunft – als ein Garant für die Snnhaftigkeit unserer sittlichen Bemühungen. Dies aber hat mit dem ursprünglichen ontologischen Beweis nichts mehr zu tun, diese moralische Notwendigkeit ist subjektiv und keinesfalls ein in sich schlüssiger Beweis.

Eigentlich hätte mit Kant die Geschichte des ontologischen Gottesbeweises enden müssen: Aber seine Nachfolger, insbesondere Hegel, haben sich von dessen Kritizismus distanziert und abermals durch rein rationale Überlegungen Erkenntnisse über die Wirklichkeit zu gewinnen. Und dieser Rückschritt führt dann folgerichtig zu einer ähnlichen Argumentation wie etwa bei Spinoza oder Descartes, obschon sie letztendlich eine genuin philosophische ist: Die Selbstentfaltung des Denkens führt in dialektischer Weise letztendlich zum Absoluten. Ein solches Absolutes braucht Hegel, um vom Endlichen zum Unendlichen fortzuschreiten: Jenes kann nur in Beziehung zu diesem gedacht werden, das Endliche ist ein Teil des Unendlichen, seine Bestimmung erfolgt – wie bei Spinoza: Determinatio est negatio. (Erstaunlich ist für mich immer wieder die Tatsache von Hegels Erfolg – bis in unsere Zeit: Er hat die bis zu seiner Epoche errungenen Erfolge verwässert, mit völlig unhaltbaren, oft lächerlichen Spekulationen ohne jeden Tiefgang erfüllt und kann daher bestenfalls als müder, dubioser Schüler Kants verstanden werden. Alle seine Ausführungen sind unklar, teilweise einfältig und entbehren der Folgerichtigkeit, wenn man nichts seine Annahmen samt und sonders hinnimmt (wobei auch das nicht immer ausreicht). Vielleicht aber war das gerade der Grund für den Erfolg: Seine Begriffe des Absoluten, Wahrhaftigen sind in einer Weise verschwommen, dass ein jeder auf dem kleinen dialektischen Feuerchen sein eigenes Süppchen brauen konnte, ohne sich einer strengen Logik oder gar der Wissenschaft unterwerfen zu müssen.)

Bei Hegel gehört der Gottesbegriff zum “Wahrhaftigen” – und zu einem so verstandenen Gott gehört auch die Existenz. Er empfindet die Welt der Erscheinungen als zweitrangig, hält die Existenz von Objekten für etwas, das einem Absoluten (Gott) in dieser Form nicht zukommt, sondern in einer sehr viel “höheren”. (Wie genau sich dieses Wahrhaftige, Höhere – und vor allem warum – in der von ihm dargestellten Form verhält bzw. auf welcher Grundlage – abgesehen von einer rein spekulativen – es postuliert werden kann, bleibt das Geheimnis der Dialektiker. Man muss schon daran glauben …) Dies kommt dann auch explizit zum Ausdruck: “Diese Realität [Gottes] aber ist die Offenbarung, die für sich seiende Manifestation.”

Da Hegel herkömmliche Beweise nicht anerkennt, sondern die dialektische Überwindung der Schranken vom Endlichen zum Absoluten sich wünscht, braucht man über seinen Gottesbegriff nicht weiter zu diskutieren. Er hat den Charakter einer Erleuchtung, das wahre Denken des Absoluten entfaltet sich (was immer man unter einer solchen Entfaltung verstehen mag). Jeder von ihm als “wahrhaft” bezeichnete Begriff trägt das Sein schon in sich, kann nicht anders als seiend gedacht werden. Wenn man die – willkürlichen – Voraussetzungen nicht teilt (die Natur der wahrhaften Begriffe, den Unterschied von Verstand und Vernunft, die Möglichkeit des Subjekts, sich selbst und damit Gott zu denken usf.) ist das alles nur Gerede und von beachtlicher Belanglosigkeit. Hegel beweist Gott nicht, sondern setzt ihn im Geist des Menschen voraus: Wenn wir uns selbst denken, wir uns zum Objekt werden, denken wir Gott. Vor einer solchen Voraussetzung ausgehend erübrigt sich natürlich jeder Beweis.

Röd gelingt es nicht nur die Positionen der einzelnen Philosophen plausibel darzustellen, sondern auch Funktion und Struktur epochenübergreifend zu analysieren. Der Gottesbeweis hat zumeist den Zweck, Wirklichkeitserkenntnis möglich zu machen, er soll zum Verständnis beitragen, weshalb wir überhaupt irgendetwas erkennen können, er dient als Grundlage für die Übereinstimmung von Sein und Denken. Und er soll die Wahrheit bzw. Gewissheit von Erkenntnis garantieren. In dem Maße, in dem von diesem Anspruch abgerückt und Wirklichkeitserkenntnis als fehlbar betrachtet wurde (ohne dass dies – wie noch bei Husserl – ein Grund zur Aufgabe alles Philosophierens gewesen wäre), verliert auch dieser Beweis an Wichtigkeit. Die Theorie der Wirklichkeit wird zu einer falliblen Theorie der Wirklichkeitserkenntnis.

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