Was um Himmels Willen soll man zu dieser Nummer sagen? Auf diese meine Frage im Forum wurde mir vorgeschlagen, doch die ganze Nummer einfach weg zu lassen. Ich gebe zu, die Versuchung war riesig – aber ich habe ihr widerstanden. Dabei bin ich mit dem heutigen Datum sogar noch zu früh dran, denn der Herausgeber Schiller scheint mit dem Fünften Stück des Jahrgangs 1796 ähnliche Probleme gehabt zu haben wie ich. Sie wurde z.B. in Jena erst am 5. Juni 1796 ausgeliefert. (Solche Verspätungen werden sich im Übrigen von nun an häufen, bis sie chronisch sind, und auch grösser. Ich habe aber beschlossen, darauf keine Rücksicht zu nehmen und brav jeden Monat über die – zumindest theoretisch – zum jeweiligen Vormonat gehörende Nummer zu berichten.)
Zurück zu meinem aktuellen Sorgenkind:
Da ist also zunächst der zweite Teil der Cellini-Übersetzung von Goethe. Er ist nicht besser als der erste (dafür 50 Seiten lang). Wenn ich gleich zu Beginn lese:
Pabst Clemens hatte von Herrn Johannes von Medicis einige Haufen Soldaten ausgebeten, welche auch ankamen; diese trieben so wildes Zeug in Rom, daß es gefährlich war, in öffentlichen Werkstätten zu arbeiten. (S. 1f)
so rollen sich meine Zehennägel auf. Es spielt dabei keine Rolle, ob das wilde Zeug O-Ton Cellini ist oder ungelenke Formulierung Goethes. Passons.
Es folgen über 25 Seiten Die Pulver ⸗ Verschwörung in England im Jahr 1605. Der historische Bericht ist nicht besser und nicht schlechter als was der Historiker Schiller selber in diesen Horen auch schon abgeliefert hat. Zu mehr als einer Aneinanderreihung von Anekdoten reicht es beiden nicht. Der Schluss der Pulver ⸗ Verschwörung allerdings artet zu einem anti-jesuitischen Pamphlet aus. Alles in allem wird man den Eindruck nicht los, hier hätte Schiller seinem Schwager Wilhelm Friedrich Hermann Reinwald, der zu jener Zeit beruflich nur mühsam voran kam, einen kleinen finanziellen Zustupf gegönnt. Passons.
Und nun das Zugemüse, die Lyrik – meist in Form von Übersetzungen antiker Literatur oder Anlehnungen an dieselbe.
Da ist zuerst die Elegie Friedrich von Matthissons. Man hat mich im Forum darauf aufmerksam gemacht, dass Schiller Matthisson hoch schätzte, auch alle Hebel in Bewegung setzte, um endlich von ihm einen Beitrag für die Horen zu erhalten. Was er erhielt, war Folgendes:
Hespers bleiche Trauerkerze
Lodert an des Tages Gruft;
Durch der Kiefern öde Schwärze
Saust so bang’ die Abendluft.
Heute wird so etwas ohne Gnade als Kitsch markiert. Matthisson gehört denn auch nicht mehr zu den Autoren, die man liest. (Wenn Matthisson heute lebte, würde er wahrscheinlich Intros zu Splatter-Movies schreiben …) Schiller aber muss nicht unzufrieden gewesen sein, für seinen Musen-Almanach hat er noch ein paar Mal auf Gedichte Matthissons zurückgegriffen. Passons.
Eine Nachahmung der ersten Satyre des Juvenal ist eine harmlose und deshalb heute langweile „O tempora o mores“-Schelte. Ein gelinder Höhenflug, wo der Autor (ein mir ansonsten unbekannter Johann Baptist von Alxinger) rasch die Kant-Epigonen angreift – nein, nicht angreift, nur kurz erwähnt. Passons.
Sehnsucht nach Frieden (Original: Tibull) und Die Chariten (Original: Theokrit) sind zwei Übersetzungen des berühmten Voß. Tibull gehörte in der antiken, römischen Literatur zum berühmten elegischen Dreigestirn, zusammen mit Ovid und Properz. Er kann uns heute aber nur noch wenig sagen. Theokrit war ein Bukoliker, ein Idylliker des 3. Jahrhunderts v.u.Z. Leider eignen sich Voß‘ Temperament, Voß‘ Sprache besser zur Übertragung heroischer Gesänge von Homer. Passons.
Ach so, nein. Da ist ja nichts mehr …