Heute nun hat sie offiziell ihre Türen geöffnet: die Leipziger Buchmesse 2015, bzw., wie das in der modernen Hashtag-Sprache von Twitter & Co. heisst, #lbm15. Die Leipziger Buchmesse ist eine Publikumsmesse. Das hat seine Vorteile z.B. darin, dass die Blogger ebenso wichtig genommen werden, wie das Feuilleton der professionellen Presse – selbst eine eigene Lounge mit eigenem W-Lan wird uns zur Verfügung gestellt. Das hat seine Nachteile darin, dass man schon am Morgen früh, wenn man noch recht lärmempfindlich ist, mit ganzen Schulklassen schreiender Kinder konfrontiert ist.
Aber der Reihe nach. Der heutige Tag bestand, nach ein paar Orientierungsgängen, um herauszufinden, was wo zu finden ist, zuerst einmal aus einem Gespräch mit Christina Neth, die gerade (d.i. 2014) eine Neuübersetzung von Elizabeth Gaskells Norden und Süden veröffentlicht hat – bei Books on Demand, weil kein klassischer Verlag Interesse zeigte. (Das ist umso verwunderlicher, weil die Übersetzung eigentlich gut gelungen ist – und Interesse beim Publikum scheint auch da zu sein; zumindest hierzulande hat ein Grosshändler Norden und Süden sogar an Lager, und das Buch kann binnen zwei bis drei Tagen an jede Buchhandlung geliefert werden.) Ich werde über dieses Gespräch in ein paar Tagen noch separat berichten.
Danach weitere Rund- und Kontrollgänge. Der Stand des Wallstein-Verlags ist in Leipzig winzig klein, deshalb keine Neuigkeiten dort zu holen versucht. Ähnliches bei der WBG und der Büchergilde. Die grossen Verlage, was grosse Verlage halt so bieten.
Dazwischen immer wieder CosPlayer, die Leipziger Buchmesse beherbergt ja auch eine Manga Convention. Die Halle 1, in der die Manga-Szene sich tummelt, ähnelt denn auch in vielem dem, was ich damals in Berlin gesehen habe. Ob die Zuschauer bzw. Fotografen über eine pädophile Ader verfügen, wie mir böse Zungen zugeflüstert haben, kann ich nicht beurteilen. Wenn man das offizielle Plakat so ansieht, kann man den Verdacht nicht ganz von sich weisen: Das Wesen, das da gezeichnet ist, trägt einen Kopf, der ganz dem Kindchen-Schema entspricht: grosse Augen, kleine Nase, keine Zähne. Der Busen allerdings durchaus weiblich, nicht klein und durch ein recht freizügiges Décolleté auch grosszügig genug präsentiert. Die Beine auch eher fraulich als kindlich und mit strapsähnlicher Beinbekleidung ausgerüstet, die der Lack- und Lederszene entnommen scheint. Der reale CosPlayer allerdings – zumindest der von heute in Leipzig – ist im Durchschnitt 27 Jahre alt, zu 70% weiblich und verfügt über eine Molligkeit, hinter der selbst die meinige zurücksteht. Den Fotografen dieser Wesen Pädophilie vorzuwerfen, scheint mir doch arg übertrieben. Aber ich muss zugeben, dass die CosPlayer damals in Berlin im Durchschnitt jünger waren als ihre Leipziger Kollegen und Kolleginnen, noch mehr als 70% weiblich, und ich mir im Vergleich bedeutend dicker vorkam als heute.
Von der Manga-Szene zu einer kleinen Entdeckung: Ich bin zufällig über eine Zeitschrift gestossen, die sich philosophie MAGAZIN nennt. Sie erscheint sechsmal jährlich. Ein Rezensionsexemplar der neuesten Nummer (03/2015; April/Mai) habe ich erhalten (Hauptthema: Die Hölle, sind das die Anderen?, dazu ein Schwerpunktsartikel über Voltaire und die Toleranz) und werde die Zeitschrift somit demnächst hier vorstellen. Die Bekanntschaft mit diesem Magazin nahm ich dann gleich zum Anlass, einer Veranstaltung im Rahmen der Reihe Leipzig liest philosophisch! beizuwohnen, in der der Herausgeber obgenannter Zeitschrift mit dem österreichischen, aber an der FU Berlin lehrenden Philosophen bzw. Literaturwissenschafter (so ganz einig sind sich die Quellen nicht!) Armen Avanessian zum Thema Politisch denken, poetisch existieren! Eine Anleitung diskutierte. Avanessians neuestes Buch werde ich mir vielleicht auch noch besorgen.
Den Tag abgeschlossen habe ich dann mit Karl May. Eine der im Programmheft der #lbm15 angekündigten Abendveranstaltungen betraf das Thema Karl May – wie weiter?, und wurde vom Verein der Leipziger May-Freunde (oder so ähnlich) zusammen mit dem Karl-May-Verlag organisiert. Der Verlags-Chef, Bernhard Schmid, nahm persönlich teil, und versicherte dem anwesenden Publikum zu dessen Erleichterung, dass der kürzlich erschienene neue Band 90 der May’schen Werke nicht der letzte bleiben soll. Dazu waren die Verantwortlichen des Karl-May-Museums in Radebeul in corpore anwesend, und schilderten ihre Pläne zur Weiterführung und Modernisierung des Museumsbetriebs. Im Übrigen gab der Abend leider für den Aussenstehenden nur wenig her, vieles waren Vereinsinterna, die nicht interessierten. Dass von den vielleicht 50 Anwesenden allerdings maximal vier oder fünf jünger als 60 Jahre waren, und auch maximal vier oder fünf Frauen anwesend waren (die beiden Gruppen waren nicht identisch, aber es gab Schnittmengen), stimmt zum Thema May – wie weiter? dann aber eher nachdenklich.
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