Meersburg liegt am Bodensee – ein kleines Städtchen mit dem Charme vieler kleiner alter Städtchen im Süden Deutschlands und in der Schweiz: verwinkelte Gassen, Fachwerkhäuschen etc. Ich war jetzt gerade ein paar Tage dort. Mit dem Wetter hatte ich ausgesprochenes Glück: frühlingshafte Temperaturen, kein Wind, praktisch den ganzen Tag Sonnenschein.
Das führte natürlich zu äusserst romantischen Stimmungbildern, wie nebenstehendes Bild beweist. Dabei und im Grunde genommen bin ich ja kein Romantiker in dem Sinn, dass mich Sonnenauf- oder untergänge zum Schmelzen brächten.
Anfang November ist die Touristen-Saison bereits zu Ende. Die Schiffe der Bodenseeschifffahrtsgesellschaft verkehren nicht mehr (und so hat die ganze Stadt offenbar keine Richtung mehr). Ansonsten ist Meersburg ein recht anstrengendes Städtchen. Es liegt an einem kleinen, aber steilen Hügel und ist streng in zwei Teile getrennt, nämlich in die Oberstadt – oben am Hügel, wie es der Name schon sagt – und in die Unterstadt. Die Unterstadt besteht eigentlich nur aus dem Hafen , der Seepromenade mit einer Häuserzeile (die meisten davon jetzt Hotels) und einer weiteren Strasse, ebenfalls parallel zum Ufer mit je einer Häuserzeile rechts und links. Zwei steile Treppen und eine ebenso steile Strasse (die aber mit Fahrverbot belegt ist) verbinden die Unter- mit der Oberstadt. In der Oberstadt befinden sich u.a. das sog. „Neue Schloß“ (aus der Zeit des Barock) und die alte Burg, die den Herren von Meersburg als Residenz diente, bevor dann das neue Schloss errichtet wurde.
Kulinarisch sind natürlich vor allem die verschiedenen Fischspeisen zu erwähnen, die es in Meersburg gibt. Allerdings hatte ich den Verdacht, dass jetzt im Novemer schon ein paar Küchen geschlossen hatten, und alle alles bei ein und demselben Koch bezogen, zu ähnlich sahen sich die Speisekarten. Zum Trinken gab es Bodenseewein, vor allem den weissen Müller-Thurgau, der perfekt zur Küche und zur Landschaft passte.
Annette von Droste-Hülshoff
Wer Meersburg sagt und ein Literaturblog betreibt, denkt natürlich auch sofort an Annette von Droste-Hülshoff (genauer: Anna Elisabeth Franzisca Adolphina Wilhelmina Ludovica Freiin von Droste zu Hülshoff; 1797-1848), die sich seit 1841 mehrheitlich nicht mehr im heimatlichen Westfalen aufhielt, sondern bei ihrem Schwager in der oben genannten Burg. Natürlich habe ich die Burg besucht. Auch wenn der Tag dann schön warm wurde, war der Morgen meines Besuchs halt doch ein kühler November-Morgen. Die mittelalterliche Burg machte ihrer Entstehungszeit alle Ehre: Die Räume waren eiskalt und rochen ziemlich muffig. Ihr Sterbe- und ihr Arbeitszimmer sehen auf den Fotografien jeweils recht anheimelnd aus. Aber der Schein trügt: Die Aussenwände sind kahler (und kalter!) Stein, nur die Innenwände mit einer mageren Tapete überzogen. Der Fussboden besteht aus Holzplanken. Die Zimmer sind hoch, sehr hoch – es muss im Winter praktisch unmöglich sein, so etwas zu heizen. Es gibt aber nur in ihrem Arbeitszimmer einen – nicht sehr effizient aussehenden – Ofen. Ich glaube sofort, dass Annette von Droste-Hülshoff sich in solchen Zimmern eine tödliche Lungenentzündung zugezogen hat.
Ansonsten gab es nur noch in einem weiteren Zimmer eine Vitrine mit Büchern der Annette von Droste-Hülshoff – Büchern, die noch zu ihren Lebzeiten erschienen sind. Der der Burg angeschlossene Verkaufsstand führte lieber Holz- und Blechschwerter für Kinder und Kind-Gebliebene, sowie billige Nachahmungen von Ritterrüstungen, ebenfalls für Kinder und Kind-Gebliebene. Man erlaube mir die Bemerkung, dass ich die amerikanische Familie mit drei quengelnden Kindern, die sich gleichzeitig mit mir im Sterbezimmer der Droste aufgehalten haben, auf den Mond gewünscht habe. Ich sehe nicht ein, wie Kinder einen Geschmack an Museen gewinnen sollen, wenn man sie wider ihren Willen durch eine kalt-feuchte Burg schleppt…
Von der Unterstadt aus gesehen und im Sonnenschein wirkt die Burg übrigens bedeutend wärmer, als wenn man oben steht bzw. darin herumstolpert.