Wolfgang Rother: Verbrechen, Folter, Todesstrafe

Pietro Verri und Cesare Beccaria sind bestenfalls einigen wenigen Philosophen und Juristen bekannt, die sich mit der Aufklärung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auseinandersetzen. (Noch unbekannter ist der „deutsche“ Beccaria, Karl Ferdinand Hommel, der in Leipzig tätig war.) Dabei kommt gerade den beiden Italienern das Verdienst zu, als erste sowohl auf die Unmenschlichkeit als auch Unsinnigkeit von Folter und Todesstrafe hingewiesen zu haben. Von der französischen Aufklärung wurden die Ideen mit Begeisterung aufgenommen (sogar von Robbespiere) und in das übrige Europa hinausgetragen.

Wolfgang Rother stellt in diesem Büchlein die beiden Denker vor, skizziert die Entstehungsgeschichte der Werke (insbesondere von „Verbrechen und Strafen“ von C. Beccaria) und den Widerspruch, der von vielen Seiten (insbesondere der Kirche in Rom, die die Bücher sofort auf den Index setzte, wo sie brav bis 1962 verblieben) gegen die Vorstellungen eines humanen Strafvollzuges erhoben wurden. Allerdings liegt das Hauptaugenmerk auf der historischen Analyse, wodurch nach meinem Dafürhalten die philosophische Komponente eindeutig zu kurz kommt; auch auf die aktuellen Bezüge wird kaum eingegangen, die sogenannte „Rettungsfolter“ am Beispiel des entführten und getöteten Jungen in Frankfurt nur im Vorwort (und mit viel Zurückhaltung) erwähnt.

Insofern war das Buch eine leichte Enttäuschung: Es ist keine philosophische Auseinandersetzung (oder gar Stellungnahme) zur Problematik von Todesstrafe und Folter, sondern eine historisch gewissenhafte Darstellung der Ideen einer gewaltfreien Justiz. Aus diesem Thema hätte man sehr viel mehr machen können, man hätte moralphilosophische Ansätze berücksichtigen können (einzig Kants Ethik, die von Beccaria insofern teilweise vorweggenommen wurde, als dass auch dieser schon darauf hinweist, dass ein Mensch niemals Mittel, sondern immer nur Zweck sein kann, wird mehrmals erwähnt), man hätte die weitere Entwicklung, die Modifikation oder Zurücknahme vieler Gesetze in der Restaurationszeit bis hin zu den Gefangenenlagern in Guantamo analysieren können, die Abhängigkeit solcher Maßnahmen von der Regierungsform u. v. m. Dafür gibt es aber eine genaue Textanalyse von Karl Ferdinand Hommels Schriften, um die Frage zu beantworten, inwieweit dieser denn doch – trotz explizit gegenteiliger Aussagen – als ein Verächter der Todesstrafe angesehen werden kann.

So wird man zwar faktenreich und eingehend über die Entstehungszeit und Wirkungsweise der Werke informiert, die „philosophische Argumente der Aufklärung“ (wie im Untertitel des Buches angekündigt) werden aber kaum berührt.


Wolfgang Rother: Verbrechen, Folter, Todesstrafe. Basel: Schwabe 2010.

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