Ferdinand Beneke: Die Tagebücher. III/3: Beilagen 1811 und 1812

1811 ist Ferdinand Beneke ein routinierter Tagebuchschreiber. Das zeigt sich auch den Beilagen, die er seinem Tagebuch hinzufügt. In den frühen Tagebüchern (vgl. Abteilung I) waren diese bedeutend zufälliger und unwichtiger. Und vor allem: Es waren bedeutend weniger. In der Abteilung III nun stehen zwei gedruckten Bänden Tagebuch deren vier mit den Beilagen gegenüber – und diese vier sind noch die bedeutend dickeren. (Nur der erste Band, die Beilagen 1811 und 1812, ist einigermassen dünn: nicht ganz 370 Seiten.)

Auch sind nun relativ wenige Dokumente von späteren Auswaidern endgültig entfernt, verlegt, verloren worden – auch wenn eines offenbar noch im Zuge der Vorbereitung dieses Bandes und im 21. Jahrhundert verschwand. Am meisten hat im Übrigen Ferdinand Benekes Sohn, Otto, gesündigt, der zwar die väterlichen Tagebücher ans Staatsarchiv überstellte, zugleich aber viele Dokumente in andere Ablagen transferierte. Wir finden auch hin und wieder Einträge des Sohns auf den erhaltenen Dokumenten, in denen er deren Entstehungszeit und -ort genauer charakterisiert, u.U. auch den Verfasser, wenn es nicht sein Vater war. Die verloren gegangenen Dokumente werden kompensiert durchs Einfügen anderer Dokumente, die von Ferdinand Beneke ursprünglich nicht dem Tagebuch beigelegt worden sind. Vor allem aus dem Nachlass des Verlegers Perthes findet sich einiges.

Die Beilagen bilden, wie nicht anders zu erwarten war, ein buntes Sammelsurium: da sind einige erhaltene Briefe von Freunden, die Beneke ins Tagebuch steckte, und die sich mit kartografischen Fragen, v.a. die nähere Umgebung Hamburgs betreffend, beschäftigen. Beneke war Karten-„Lieferant“ von Perthes. (Dessen Verlag war damals die Adresse in Deutschland, wenn es um den Druck von Landkarten ging – so wurden auch die Karten zu Alexander von Humboldts Kritischer Untersuchung zur historischen Entwicklung der geografischen Kenntnisse von der neuen Welt (deren Text bei Cotta erschien) bei Perthes gedruckt – was dazu führte, dass bis zu einem Nachdruck im Insel-Verlag im 21. Jahrhundert selten Text und Karten dieses Werks beisammen anzutreffen waren. Dass Beneke Karten liefern durfte, war nicht nur ein Freundschaftsbeweis des Verlegers, sondern ist auch ein Hinweis auf die hohe Qualität der Arbeit des Hamburger Advokaten und Laien-Kartografen in diesem Bereich.

Aus Perthes‘ Nachlass stammt auch der in dieser Edition abgedruckte Brief Benekes an ihn, in dem Beneke bittet, einen Brief an Perthes‘ Autor de la Motte Fouqué weiter zu leiten. Das geschieht, und wir können ebenfalls die Antwort des Schriftstellers nachlesen, der sich freut, in Beneke eine gleichgesinnte Seele gefunden zu haben. Gleichgesinnt heisst in diesem Zusammenhang christlich-national, mit einer Verehrung des (deutschen) Mittelalters.

Briefe von und an Benekes Frau sind selten, aber ein oder zwei Mal auch aufgeführt, ebenso ihre Tagebücher, wenn sie welche in Ferdinands Abwesenheit schreibt. Auf Grund dieser Dokumente zu urteilen, scheint es vor allem sie gewesen zu sein, die im Hause Beneke den Altar von Jean Paul hoch hielt – war doch dieser Autor gemäss einem Tagebucheintrag als einziger in der Lage, in Worten auszudrücken, was sie selber nur undeutlich zu empfinden vermochte.

Amtliche Dokumente, bzw. Dokumente aus Benekes Tätigkeit als Advokat bilden den dritten grossen Teil der Beilagen. Da sind Plädoyers, die Beneke in zwei oder drei Fällen gehalten hat, Abmachungen mit andern Advokaten, wenn es darum ging, sich die Arbeit untereinander aufzuteilen; und last but not least sind da die Ernennungsurkunden des französischen Staats, der Beneke u.a. zum Friedensrichter machen wollte. Dazu gehören dann die Entwürfe zu Benekes Antworten, -zigfach überarbeitet – Antworten, mit denen sich Beneke tatsächlich aus der Schlinge zog. Seine Hauptargumente waren in allen Fällen dieselben: mangelnde Kenntnis der französischen Sprache und der französischen Rechtspflege zum einen, die Tatsache, dass er solche ehrenamtlich auszuübenden Tätigkeiten nur schon deswegen nicht übernehmen könne, weil er als Familienvater sein täglich Brot mit Advokatur-Arbeit verdienen müsse, und die Einnahmen aus dieser Tätigkeit nicht gerade üppig seien, zum andern. Da er die lokalen Verantwortlichen gut kennt, gelingt es ihm, diese Ernennungen loszuwerden, ohne gleichzeitig den guten Willen dieser Leute zu verlieren, was sich fatal auf seine Approbation als Anwalt hätte auswirken können.

Alles in allem ein faszinierender Einblick in die europäische, bürgerliche Welt zur Zeit Napoléons.

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