Karin Leukefeld: Flächenbrand. Syrien, Irak, die arabische Welt und der islamische Staat

Bücher über den Nahen Osten gibt es viele – allerdings wenig lesbare. Dieses gehört nicht dazu. Die Autorin, die (und das macht das Buch eigentlich vertrauenswürdig) seit rund zehn Jahren als Journalistin aus dem Irak und nun aus Syrien berichtet, ist ganz offenkundig nicht jene objektive Beobachterin, als die sie sich darstellt (wenn sie etwa im Schlusskapitel ihr Credo vom „den Menschen zuhören“ vertritt.

So scheint der Syrienkonflikt etwa Russland oder gar Wladimir Putin nicht zu tangieren: Letzterer wird im ganzen Buch ein einziges Mal erwähnt (und da zeigt er sich „besorgt über die Gefahren für die Zivilbevölkerung“, weil die USA den Widerstandskämpfern in Syrien Waffen liefert). Ähnlich friedliebend ist die Hisbollah: Ihre Rolle im Krieg besteht darin, dass sie Kämpfer, die aus dem Libanon nach Syrien zu gelangen versuchen, an der Grenze zurückhält, weil sie dort nur noch für mehr Gewalt sorgen würden. Auch Assad scheint ein Herrscher, auf den die Attribute säkular, aufgeschlossen und demokratisch zutreffen, es bleibt ein wenig rätselhaft, warum es überhaupt zu einer Protestbewegung gekommen ist: Doch dafür hat die Autorin denn doch eine Erklärung, es waren die imperialistische Mächte der USA und Israels, die diesen Aufstand förderten, im übrigen die gleichen Ländern, die auch Gründung des IS betrieben haben (nicht etwa indirekt, sondern ganz bewusst im Wunsch, die Region zu destabilisieren).

Das Problem dieses äußerst einseitigen Geschreibsels besteht darin, dass es oft auch nicht ganz falsch ist: Selbstverständlich war dem Westen am Sturz Assads gelegen (und keineswegs waren die Gründe dafür humanitäre: Denn das viel menschenfeindlichere Regime in Saudi-Arabien braucht eine solche Intervention nicht zu fürchten), selbstverständlich wurde dabei ganz bewusst in Kauf genommen, auch radikal-verbrecherische Gruppen zu unterstützen und ebenso selbstverständlich wollen die westlichen Verbündeten das durch den Irak-Krieg angerichtete Chaos für sich nutzen (und da erst durch den Irakkrieg eine Organisation wie der IS möglich wurde, kann man indirekt die USA auch als Verursacher des radikalen Islamismus bezeichnen). Deshalb aber sollten weder der Iran noch die Hisbollah, weder Assad noch Putin für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen werden (und es hat schon etwas Perverses an sich, dass ihn Obama tatsächlich gekriegt hat), eine solch radikale Einseitigkeit der Darstellung ist dem Verständnis der Lage im Nahen Osten nicht förderlich (und man fühlt sich fast bemüßigt, Länder wie die USA oder Israel (das als einziges Land der Welt UNO-Resolutionen einfach ignorieren kann) in Schutz zu nehmen, etwas, was mir fern liegt).

Dazu kommen Widersprüchlichkeiten, die durch die Absicht geprägt sind, die Schuld einzig im US-Imperialismus zu suchen: So wird zum einen so getan, als ob man ganz bewusst sehr viele Menschen von der Hilfe der westlichen Staaten abhängig machen würde, ein paar Seiten weiter werden dann die Kosten des Kampfeinsatzes aufgerechnet und beklagt, dass mit dem Geld vielen Flüchtlingen geholfen werden könnte. So verkommt dieses Buch zu einem Sammelsurium an Halbwahrheiten oder inhaltsleeren Trivialitäten („Krieg ist nie eine Lösung“), die es zu einem Ärgernis werden lassen: Nichts lässt sich besser zum Lügen instrumentalisieren als „Wahrheiten“, die man ein wenig präpariert und behübscht in die Diskussion wirft und die man so weit kürzt, dass sie bestenfalls als – Thomas Bernhard würde sagen – „sogenannte“ Wahrheiten bezeichnet werden können. So nebenbei – auch verschweigen kann der Lüge gute Dienste erweisen (dass ausgerechnet Putin im Syrienkonflikt ausschließlich mit seiner Sorge um das Menschenwohl zu Wort kommt spricht Bände).

Irgendwie passt zu diesem Elaborat auch das nicht vorhandene Lektorat (die Anzahl der Fehler übersteigt das erträgliche Maß bei weitem), manches wird wortwörtlich dreimal wiederholt (was darauf schließen lässt, dass auch die Autorin ihren Text nicht sehr sorgfältig redigiert hat), einen Index sucht man vergebens. Studentenselbstverlag einer engagierten WG? Und selbst dann könnte man mehr Genauigkeit einfordern. In jedem Fall ein Buch, dass man nicht gelesen haben muss.


Karin Leukefeld: Flächenbrand. Syrien, Irak, die arabische Welt und der islamische Staat. Köln: PapyRossa 2015.

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