Verne ganz ohne Abenteuer? Ganz ohne Reisen in unerforschte und zu seiner Zeit dem Menschen unzugängliche Gebiete? Doch, gibt es. Nämlich hier, in Jules Vernes einzigem Liebesroman (so der Klappentext).
Meine Ausgabe will, dass Jules Vernes Romane zur französischen (Hoch-)Literatur gezählt werden, auf Grund ihrer eleganten Sprache. Ich kann dazu nichts sagen, weil ich nie einen in der Originalsprache gelesen habe. Die vorliegende Übersetzung von Cornelia Hasting bringt Verne jedenfalls in ein sehr flüssiges, geschmeidiges Deutsch; so flüssig und geschmeidig habe ich Verne sonst nicht in Erinnerung.
Die Geschichte als solche ist simpel. Ein Liebesroman ohne grosse oder gar unvorhersehbare Komplikationen. Die Charaktere sind Stereotype: zwei verschrobene Hagestolze als liebenswerte Onkel; eine hochromantisch veranlagte Nichte auf der Suche nach der Liebe ihres Lebens; zwei loyale, an ihren Dienstherren und an ihrer schottischen Heimat hängende Bedienstete, ein Männlein und ein Weiblein, die bei aller Loyalität nicht zögern, anders zu handeln als ihre Befehle lauten – wenn sie denn nämlich der Meinung sind, ihre Handlungsweise sei für alle die bessere; der von den Onkeln vorgesehene zukünftige Gatte der Heroine, ein trockener, wenig liebenswürdiger Mann, der alles wissenschaftlich erklärt, und alles jedem wissenschaftlich erklärt, ob der es nun wissen will oder nicht (und die Nichte will es definitiv nicht wissen!); last but not least der Mann, der dann tatsächlich das Herz der Nichte erobern wird, ein liebenswürdiger Künstler-Maler, genau so romantisch und anti-wissenschaftlich veranlagt wie die Nichte.
In seinem anti-wissenschaftlichen Grundton ist dieser Roman völlig untypisch für Verne; aber nicht einmal die französische Version von Wikipedia kann mir angeben, was ihn veranlasst hat, 1882 diesen Roman zu veröffentlichen. Er spielt in Schottland, auf den Hebriden. Das schottische Lokalkolorit wird – neben summarischer Schilderung der Landschaft – vor allem dadurch erreicht, dass die Onkel und ihre Nichte, wo immer es passt oder auch nicht passt, Walter Scott zitieren. Und Ossian, der sie regelmässig zu Tränen rührt.
Nein, keine grosse Literatur. Aber ein netter Happen, wenn man sich gerade auf nichts Anspruchsvolleres konzentrieren kann.
Jules Verne: Der grüne Blitz. Aus dem Französischen von Cornelia Hasting. Mit einem Nachwort von James Hamilton-Paterson. Hamburg: mareverlag, 22015.