Enthält, subsummiert unter den Satiren und den Kleinen Schriften, Folgendes:
- Ein politisches Märlein
- Ein Fragment in Rabelais’scher Manier
- Ein Impromptu
- Zwei Epitaphe
- Memorandum
Bei letzterem handelt es sich um eine kleine Familiengeschichte, die Sterne zu Handen seiner Tochter geschrieben hat. Der Rest ist für den Aficionado, der Sternes literarischen Werdegang genauer verfolgen will: Juvenilia, die die Entwicklung des Autors hin zum Verfasser von Weltliteratur anzeigen, ohne noch selber Anspruch auf den Titel grosser Literatur erheben zu können.
Die Briefe an Eliza und das Tagebuch des Brahmahnen waren von Sterne – das sei ihm zu Gute gehalten – nicht zur Veröffentlichung vorgesehen. 1767 begegnete er bei Freunden zum ersten Mal der über 30 Jahre jüngeren Elizabeth Draper. Sie war mit einem Mitglied der Ostindien-Kompanie verheiratet, aber gerade zurück in England, um ihre Gesundheit (und die Gesundheit ihrer Kinder, von denen bei Sterne verblüffend wenig die Rede ist) wiederherzustellen. Es begann ein Techtelmechtel zwischen den beiden, das erst endete, als Eliza von ihrem Mann nach Indien zurück beordert wurde. Man verabredete offenbar, mit Briefen und Tagebüchern in Kontakt zu bleiben. Sterne hielt seinen Teil des Kontrakts überpünktlich ein. Er bombardierte Eliza mit Briefen und schickte ihr auch seine Tagebücher, die ‚Tagebücher‘ im wahrsten Sinne des Worts waren: ausführliche tägliche Notizen zu seinem Tagesablauf und immer wieder mehr oder weniger versteckte Liebeserklärungen. Der jungen Frau hatten in England die Aufmerksamkeiten des berühmten Autors wohl geschmeichelt und einem Flirt war sie sicher nicht abgeneigt. Nun, auf dem Weg zurück ins alte Leben, und dann spätestens in ihrem alten Leben angekommen, scheinen sie ihr weniger geschmeckt zu haben. Wir wissen es nicht genau – es fehlen nicht nur grosse Teile des Sterne’schen Briefwechsels; es fehlt der gesamte Teil Elizas – aber der deutsche Herausgeber, gestützt auf Befunde der Herausgeber der englischen kritischen Ausgabe von Sternes Werken, vermutet, dass Sterne in einem ihrer Briefe wohl eine kalte Dusche erhalten hat. Das Tagebuch wird zuerst nachlässig, dann gar nicht mehr weitergeführt. (Aber was soll man von einem Mann halten, der um eine dreissig Jahre jüngere Frau wirbt, indem er ungefragt ihr gegenüber zugibt, aktuell gegen Syphilis behandelt zu werden, obwohl er seit 15 Jahren keinen Verkehr mit Frauen mehr gehabt habe?)
Last but not least: Die empfindsame Reise. Ich war bei der erneuten Lektüre überrascht. Ich hatte sie als zusammenhangsloser, rhapsodischer, in Erinnerung. Und vielleicht ist mir bei der ersten Lektüre dasselbe Fehlurteil unterlaufen, das auch den Deutschen des 18. und 19. Jahrhunderts unterlief: Sternes Reise ist sehr wohl empfindsam, aber keineswegs schmachtend-zuckerig, wie er dann v.a. von den ‚Empfindsamen‘ interpretiert wurde. Obwohl er angab, etwas weniger Obszönes schreiben zu wollen, als es der Tristram Shandy war, finden wir auch in Yorricks Reise nach Frankreich und nach Italien sexuelle Anspielungen zu Hauf. Daneben rühmt sich Yorrick auch seiner Bekanntschaften mit dem Herrn H— und dem Herrn D—. Er meint damit Hume und Diderot, die er tatsächlich in Paris getroffen hat. Überhaupt ist die Reise in vieler Hinsicht auch ein Namedropping des berühmt gewordenen kleinen Stadtpfarrers – etwas abgeschwächt nur durch den Umstand, dass sich Sterne-Yorrick auf die Nennung des ersten Buchstabens des Nachnamens beschränkt. Nicht zu vergessen: Sterne berühmt gewordene Auslassung über den sauertöpfischen Herrn Smellfungus, den Yorrick in Frankreich getroffen haben will – eine Personalsatire über Tobias Smollett. (Und, ach ja: den italienischen Teil konnte Sterne nicht mehr ausführen. Er starb vorher.)
Die empfindsame Reise hat der deutschen Sprache auch ein neues Wort geschenkt. Im Anhang des Herausgebers lässt sich gut verfolgen, wie schon rasch verschiedene deutsche Übersetzungen um die Gunst des Publikums buhlten. Dass diejenige Bodes sich durchsetzte, mag nicht zuletzt daran gelegen haben, dass er als einziger das originale sentimental prägnant zu übertragen wusste. Wir wissen, dass ein gewisser Lessing an der Schöpfung des Wortes ‚empfindsam‘ mitbeteiligt war.
Fazit: Die Empfindsame Reise sollte man (wieder einmal) lesen. Der Rest dieses zweiten Bands der 3½-bändigen Werkausgabe ist dann eher für Voyeure und / oder Aficionados.
Neu übersetzt von Michael Walter, kommentiert von Michael Walter und Anke Albrecht, benachwortet von Wolfgang Hörner. Berlin: Galiani, 2018
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