Bora Ćosić: Die Tutoren

Übersetzungen sind im Bereich der klassischen, der gehobenenen, der Welt-Literatur (oder wie immer man diesen Bereich nennen will) im Moment der absolute Renner. Klassiker werden in steter Regelmässigkeit neu übersetzt (ich glaube, den Anfang machten hier die Neuübersetzungen von Dostojewskis Romanen), oder sogenannt ‚unübersetzbare‘ Bücher einer Nationalliteratur wurden schlusssendlich doch übersetzt und gehören nun, wenn…

Annette von Droste-Hülshoff: Die Judenbuche

Annette von Droste-Hülshoffs Judenbuche haben die meisten von uns irgendwann einmal in der Schule ‚durchgenommen‘. Die Erzählung eignet sich auch sehr gut als Schullektüre: Sie ist kurz, in fliessend-mitreissendem Stil verfasst, und ihr Ende einleuchtend. Ist dem so? Gut, kurz ist sie und auch am Stil lässt sich nicht mäkeln. Ohne sich über die Protagonisten…

Iwan Turgenew: Am Vorabend

Bei Am Vorabend (Накануне) von 1860 handelt es sich um den dritten Roman, den Turgenew (früher auch ‚Turgenjew‘ transkribiert) verfasst hat. Hierzulande kennt man von Turgenew vor allem natürlich Väter und Söhne, den grossen Roman mit – soweit ich sehen kann – der ersten Erwähnung der Philosophie bzw. der Politik des Nihilismus. Dabei würde sich…

Anthony Trollope: The Warden [Septimus Harding, Spitalvorsteher]

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass dies mein erster Trollope ist; zu meiner Ehrenrettung darf ich aber hinzufügen, dass er mir ausgezeichnet gefallen hat. Anthony Trollope erzählt in The Warden die Geschichte von Septimus Harding, Wittwer und Vater zweier erwachsener Töchter, Pfarrer und eben Leiter eines Spitals – um genauer zu sein, handelt es…

Karl Leberecht Immermann: Münchhausen. Eine Geschichte in Arabesken

Karl Leberecht Immermann (1796-1840; man findet seine Vornamen auch als ‚Carl‘ und ‚Lebrecht‘) war für mich bisher der Inbegriff epigonaler Literatur, und ich habe mich nicht für ihn interessiert. Gutzkows Ritter vom Geiste hatte mich für lange Zeit von solcher Literatur kuriert. Dabei galt Immermann nicht immer als wertloser Epigone. Noch 1935 erschien eine sechsbändige…

Charles Baudelaire: Sämtliche Werke/Briefe. Band 7: Richard Wagner. Meine Zeitgenossen. Armes Belgien!

Der vorletzte Band der Werkausgabe bietet dem Leser wieder einmal ein wahres Potpourri an Themen. Neben den im Haupttitel erwähnten Aufsätzen finden wir noch weitere Schriften, v.a. zur bildenden Kunst. So ganz nebenbei desavouieren sich die Herausgeber der Ausgabe auch, weil sie zugeben müssen, dass von der Notizensammlung, die Baudelaire als Grundlage hätte dienen sollen…

Charles Baudelaire: Sämtliche Werke/Briefe. Band 5: Aufsätze zur Literatur und Kunst. 1857-1860

Der Titel deutet es an: Wir finden im fünften Band der Werkausgabe neben den üblichen, meist um Geld bettelnden Briefen Baudelaires Literatur- und Kunstkritiken. Der Literaturkritiker Baudelaire schreibt (auch), um sich selber zu definieren – sowohl in der Abgrenzung wie in der Zurechnung. Die Schriften über seinen literarischen Übervater, Edgar Allan Poe, wurden alle in…

Charles Baudelaire: Sämtliche Werke/Briefe. Band 3: Les Fleurs du Mal – Die Blumen des Bösen

Les Fleurs du Mal stellen Baudelaires grosses Vermächtnis an die Weltliteratur dar. Ohne sie hätte die Literatur, und vor allem natürlich die Lyrik, des 20. Jahrhunderts zumindest in Frankreich und in Deutschland anders ausgesehen. Der Symbolismus greift ebenso auf sie zurück wie der Expressionismus – Stefan George ebenso wie Gottfried Benn. Ja, in Frankreich gilt…

Dichter der Distanz – Adalbert Stifters „Der Hochwald“

Ich kenne keinen Romancier, der auch nur ähnlich gute Landschaften oder Stillleben machen könnte wie Stifter. (Und selbst unter den Nicht-Romanciers kenne ich nur von  Brockes oder Thoreau ähnlich präzise Wortzeichnungen.) Stifters Beschreibungen der heimatlichen Landschaft oder seiner eigenen (in die Fiktion transponierten) Möbel z.B. in Der Nachsommer sind meiner Meinung nach unerreicht. So setzt…