Georgia Maya: Die Gewalt der RAF

Die Muttersprache der Autorin ist das Deutsche offenkundig nicht – und das Lektorat hat Microsoft Word (oder Open Office) übernommen: Denn Rechtschreibfehler sind kaum zu finden, hingegen eine Unzahl an Grammatik- und Syntaxfehlern als auch Formulierungen, die die Mühsal der Autorin mit dieser Sprache verrraten. Aber das alles wäre so schlimm nicht (wenngleich es mich verwundert, dass von Betreuerseite die sprachlichen Mängel dieser – präsumtiven – Diplomarbeit nicht angemahnt wurden), würde der Inhalt die holprigen Formulierungen kompensieren: Würde …

Denn er tut es nicht, im Gegenteil: Maya wählt für ihre Analyse ein – ziemlich triviales – soziologisches Konzept mit dem klingenden Namen Makro-Meso-Mikro-Modell, das politische Gewalt auf der Makroebene (die politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse der Zeit), der Meso-Ebene (die revolutionäre, terroristische Organisation) und der Mikro-Ebene (die einzelnen Mitglieder dieser Organisation) zu untersuchen sich vornimmt. Mir will ein solcher Zugang ein wenig banal erscheinen: Denn politische Verhältnisse als auch die Organisationsstruktur der revolutionären Bewegung sowie die individuellen Eigenschaften der Mitglieder beeinflussen selbstverständlich deren Verhältnis zur Gewalt; versieht man aber diese Selbstverständlichkeit mit einem klingenden Namen (die Soziologie ist hier besonders kreativ) wird aus Inhaltsleere eine tiefsinniges Modell.

Und so füllt die Autorin Seite um Seite: Zuerst mit einer Beschreibung der politischen Verhältnisse (das liest sich wie eine Zusammenfassung aus einer geschichtlichen Darstellung der BRD in den 60ern und 70ern), stellt dann das Faktum der Gründung der RAF fest (als eine Folge der Ereignisse vom 2. Juni 1967 als auch von Dutschkes Ermordung), um schließlich die Persönlichkeiten der einzelnen Mitglieder zu beschreiben (die nicht aussagekräftiger sind als die Wikipedia-Artikel). Die soziologischen “Erkenntnisse” beschränken sich auf die Feststellung, dass ein Einfluss der “Peergroup” auf ihre Mitglieder konstatiert wird (wahrlich überraschend) bzw. diese Mitglieder alle auf ihre Art einen Sinn des Lebens suchten (und ihn schließlich in der RAF fanden). Und kulminiert dann im Fazit: “Wenn es beispielsweise keine Individuen gegeben hätte, die sich der RAF aus persönlichen Motiven angeschlossen hätten, hätte es auch nicht zur Entstehung der RAF kommen können, da sich eine Organisation immer aus ihren Mitgliedern konstituiert.” Da staunt der soziologisch Unbeleckte und der Laie wundert sich: Kein Kegelclub ohne Kegler, keine Vereinigung der Philatelisten ohne Briefmarkensammler!? Wer hätte das gedacht?

Kein Fach (noch nicht einmal die Theologie) eignet sich so hervorragend für die Produktion von Plattheiten wie die Soziologie: Wie trivial oder substanzlos ein Gedanke auch immer sein mag, es findet sich stets eine Theorie mit ehrfurchtgebietendem Namen nebst einem Studenten, der zwecks Abschluss irgendwas zu produzieren gezwungen ist – und schon wird Seite um Seite gefüllt ohne jede Rücksicht auf Waldsterben oder CO2-Ausstoß. Solche Arbeiten lassen mich zum militanten Umweltschützer mutieren.


Georgia Maya: Die Gewalt der RAF. Bremen: Europäischer Hochschulverlag 2013.

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