Arno Schmidt. Eine Bildbiographie

Herausgegeben von Fanny Esterházy. Mit einführenden Texten von Bernd Rauschenbach.

Gleich zu Beginn wird Arno Schmidts Diktum, wonach jedem Autor spätestens 50 Jahre nach seinem Ableben eine Biografie zu widmen sei, ins Spiel gebracht. Nun seien es aber noch keine 50 Jahre (Schmidt starb 1979), und das vorliegende Buch sei auch nicht die von Schmidt gewünschte Biografie. Letzteres ist gut zu wissen, denn eine vollgültige Biografie haben wir tatsächlich nicht vor uns.

Der Aufbau des Buchs ist simpel: Verschiedene Lebensstationen Schmidts bilden die verschiedenen Kapitel. Mit Ausnahme von Schmidts Soldatenzeit im Zweiten Weltkrieg sind diese Lebensstationen immer geografisch festgemacht – was bei einem Autor wie Schmidt, der sehr stark von seiner Umgebung abhing, auch sinnvoll ist. Vorangestellt ist ein Kapitel über Schmidts Vorfahren und Eltern. Jedem Kapitel stehen einführende Worte von Bernd Rauschenbach voran, der kurz skizziert, was in der abzuhandelnden Zeit  geschehen ist. Dann die Bilder, begleitet von Texten aus Schmidts Werken und solchen aus Arnos und Alicens Tagebüchern oder Briefen. Die Bilder können faksimilierte Dokumente sein (Typoksriptseiten, Briefe, Karten (fremde oder von Schmidt selber hergestellte – von nichts scheint Schmidt mehr besessen gewesen zu sein, als von Landkarten, in den frühen Jahren vielleicht noch seine Logarithmen ausgenommen)) oder Fotografien (fremde und welche von Arno oder Alice). Schmidts einzige andere Besessenheit ist – nein, nicht seine Frau (das Verhältnis von Arno und Alice bleibt auch in diesem Buch dem Leser schleierhaft) – das flache Land der Heide, in dem er ja dann auch sein Leben beschliessen sollte. Städte hingegen hasste er. Hamburg, wo er zur Schule ging, hatte er gar nicht richtig mitgekriegt – die Familie Schmidt lebte in Hamm, damals ein praktisch unabhängiger und von Hamburg getrennter Vorort. Und nirgends hatte er sich offenbar weniger wohl gefühlt als in Darmstadt (in das er wegen einer Anzeige wegen Verbreitung pornografischer Schriften flüchtete – das harmlose Seelandschaft mit Pocahontas hatte sie ihm eingebrockt.)

Die oben geschilderte Gestaltungsweise ist gleichzeitig Stärke und Schwäche des Buchs. Zu wenig wird in Rauschenbachs Einführungen erklärt (warum und wie hat sich Schmidt mit Heißenbüttel, der die Leitung der Funkprogramme von Andersch übernommen hat, überworfen?). Da wird vom (später von Schmidt ebenfalls weggewiesenen) Freund Michels erzählt, der die beiden Schmidts immer mal wieder zu Ausflügen in seinem Auto abholt, und es stehen dann auf der gleichen Seite (344) oben eine Fotografie, wo das Auto ein Opel Kapitän ist (von dem auch Schmidt in einem Text schreibt), unten ist es dann aber ein Opel Rekord. Auch da: keine Erklärung. Sicher: Details. Aber dennoch: Michels nimmt einen derart breiten Raum in dieser Biografie ein, dass auch solche Details gewünscht sind. Dem literarisch Interessierten fehlen dafür mehr Informationen nicht nur zu Schmidts Verhältnis zu Alfred Andersch. Auch das zu Wollschläger hätte ausführlicher dargestellt werden müssen, und als logische Konsequenz daraus, Schmidts Auseinandersetzung mit Karl May. Und, als logische Konsequenz nun daraus, seine Auseinandersetzung mit Fouqué. So bleibt die Biografie an Äusserlichkeiten kleben, und erhebt sich nicht viel über das Niveau der üblichen Klatschhefte.

Auch die grafische Gestaltung ist nicht über jeden Tadel erhaben. Zur Verteilung und Auswahl der Bilder kann ich wenig sagen, da müsste man wissen, was zur Verfügung stand. Aber dass die Texte von Rauschenbach, und alles, was von Alice stammt, in einer ziemlich kleinen serifenlosen Schrift wiedergegeben ist, während Arno Schmidts Texte grösser gesetzt sind und in Serifen, macht das Schriftbild dort, wo Arnos und Alicens Texte aufeinander treffen, unnötig unruhig.

Alles in allem ein guter und interessanter Versuch, dem Schmidt-Aficionado sicherlich unerlässlich. Aber es ist noch viel Luft nach oben.

3 Replies to “Arno Schmidt. Eine Bildbiographie”

  1. Ja, die Biographie steht aus. Die dürfte um Arnos Willen aber nicht allein von einem bloßen germanistischen Wortklauber stammen, sondern benötigt sicher die Mitabeit eines Psychoanalytikers, der genügend Behandlungserfahrung hat. Das wäre weiterführend.

  2. “…das harmlose Seelandschaft mit Pocahontas hatte sie ihm eingebrockt.”
    “Harmlos”? In der damaligen Zeit? Echt jetzt?
    Tja, sowas nennt man wohl die Arroganz der Nachgeborenen. Ist ungefähr auf dem Niveau, oder, ganz schmidtisch “Nie-Wo”, wie die Aussage, dass sich der Kolumbus diese unnötige lange Fahrt in die Neue Welt nicht hätte antun müssen, wo man doch ganz einfach hinfliegen kann…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert