Zwei Vorbemerkungen:
– Ich dachte zuerst, „Leixlip“ wäre ein Akronym für „Leipzig“. Immerhin galt der ‚Wilde Osten‘ zu Maturins Zeit noch als recht exotisch – das richtige Setting also für eine Schauermär, wie ja auch z. B. Le Fanus lesbischer Vampir Carmilla in der Steiermark spukt. Doch Leixlip liegt offenbar im katholischen Teil Irlands. (Was vom Iren und protestantischen Theologien Maturin, der die Katholiken zu allem fähig hielt, auch nicht verwundert, wenn ich es recht bedenke.)
– Wir haben bei Irving gesehen, dass es Autoren gibt, die ausgezeichnete Kurzgeschichten zu schreiben vermögen, den langen Atem eines Romans aber offenbar nicht aufbringen. Maturin hat mit Melmoth the Wanderer einen zumindest auf den ersten 200 Seiten nicht üblen Roman hingekriegt. Die Frage war also hier: Kann Maturin auch kurze Geschichten? Die Antwort lautet ganz klar: Wenn Leixlip Castle typisch für Maturins Kurzgeschichten sein soll – nein.
Und damit ist eigentlich schon alles über die 12 oder 13 Seiten gesagt, die die Geschichte umfasst. Es geht um das Schicksal zwei Töchter des Landadligen Sir Redmond Blaney. Die jüngere verirrt sich mit ihrer Magd in einem Wald. Sie kommt nie wieder zurück, ausser, um einmal als Erscheinung im Schloss aufzutauchen, die vor dem Feuer sitzend vergebens versucht, sich zu wärmen. Damit enden die Ereignisse um die jüngere Tochter, ohne Spannung, ohne Pointe. Maturin hätte besser daran getan, sie ganz wegzulassen. Ob er wohl Seiten füllen musste, um zu seinem Honorar zu kommen?
Die ältere Tochter nun lässt sich von einer Hexe in deren Künste einführen. Die beiden versuchen, den zukünftigen Gatten der jungen Adligen mit einem Zauber hervorzurufen, auf dass das Fräulein einen Blick auf ihn werfen mögen. Es erscheint aber eine Horrorgestalt mit einem Messer. Der echte Freier scheint allerdings keineswegs ein Monster zu sein. So findet die Hochzeit statt. Jahre später trennen sich die beiden aber – warum bleibt der ganzen Welt unklar. Noch später muss der Gatte aus politischen Gründen das Land fliehen. Auf der Flucht kommt ihm – nach Jahren! – ein Messer wieder in die Hände. Es ist dasselbe, mit dem er vor der Heirat im Streit den Bruder erstach. Der Mann tötet sich nun mit eben diesem Messer; die Frau lebt noch ins hohe Alter von 96 Jahren, von der Welt völlig zurückgezogen.
Das Ganze wird – mit Ausnahme der (schwachen) Schlusspointe, die die Auflösung der Separation liefert und als kleiner Rückblick erfolgt – ’straight forward‘ erzählt. (Die Pointe ist übrigens, dass der Mann das Mordmesser, das er weggeworfen und verschwunden glaubte, bei seiner Frau in einer Schublade wieder gefunden hat. Ob er nun glaubte, sie wisse mehr, oder ob er ihr glaubte, dass sie auf übernatürliche Art und Weise zu diesem Mordinstrument gekommen sei: Jedenfalls wurde sie ihm offenbar unheimlich, und er floh.)
Die Sprache ist simpel. Spannung kommt zu keinem Zeitpunkt auf. Fazit I: Wenn es literarische Mittelstreckenläufer gäbe – Maturin wäre offenbar einer. Fazit II: Maturin muss man so oder so nicht unbedingt gelesen haben …