Joseph Sheridan Le Fanu: In A Glass Darkly

Joseph Sheridan Le Fanu (1814-1873) ist einer der Väter der klassischen Gruselgeschichte bzw. der „Gothic Novel“ wie sie in seiner Muttersprache heisst. Seinerseits stark an der Romantik orientiert, weist er doch über sie hinaus -nur schon rein zeitlich.

„In A Glass Darkly“ versammelt fünf Kurzgeschichten.

„Green Tea“ erzählt, wie ein englischer Geistlicher von einem dämonischen Affen verfolgt wird, der offenbar nach Belieben erscheint und verschwindet. Le Fanu hat sich hier an Swedenborg orientiert, der in Arcana Coelestia die These aufstellte, dass jeder Mensch von ihm unsichtbaren, guten wie bösen, Dämonen begleitet wird. Der Genuss von zu viel Grüntee hat dem Geistlichen sein inneres Auge geöffnet, und er sieht nun einen seiner dämonischen Begleiter. So jedenfalls die These des behandelnden Arztes, eines Dr. Hesselius, aus dessen nachgelassenen Papieren sein Sekretär diesen Fall dem breiten Publikum mitteilt. So die Rahmenfiktion. (Wie weit wir uns allerdings auf diesen Erzähler verlassen können, bleibt unklar. Hesselius pfuscht in mystischer Medizin herum und entpuppt sich als keineswegs zuverlässiger Arzt. Nachdem er dem Geistlichten ans Herz gelegt hatte, ihn beim nächsten Auftauchen des Affen sofort zu rufen – begibt er sich in einen Landgasthof, um ungestört über den Fall nachdenken zu können. Und damit er nicht gestört wird, hinterlässt er zu Hause keinen Hinweis darauf, wo man ihn finden könnte. Natürlich erscheint der Affen-Dämon genau in dieser Nacht. Dem zu spät kommenden Hesselius bleibt nur noch, des Geistlichen Tod durch Selbstmord zu konstatieren. Und selbst hier widerspricht sich der Arzt nochmals, indem er den Selbstmord einer manischen Erbdisposition zuschreibt und nicht etwa der Verfolgung durch jenen Dämon, an den er selber – da auch ein Swedenborg-Jünger – zu glauben schien.)

„The Familiar“ erzählt – wiederum aus den Papieren des Dr. Hesselius, der aber keine aktive Rolle mehr einnimmt – wie ein ex-Kapitän zur See zuerst von geheimnisvollen Schritten eines Unsichtbaren, dann auch von dessen Erscheinen in den Tod getrieben wird. Es stellt sich heraus, dass dieser Revenant das Aussehen eines Matrosen hat, den der Kapitän damals aus eigennützigen Motizen zu einer so harten Strafe verurteilte, dass der Mann daran starb. Wer will, kann also den Ereignissen die rationale Erklärung unterlegen, dass der Kapitän von seinem eigenen schlechten Gewissen hingerichtet wurde.

„Mr Justice Harbottle“ erzählt in ähnlicher Weise, wie ein unbarmherziger und ebenso selbstsüchtig urteilender Richter von einem monströsen Doppelgänger in einer ebenso mosntrösen Sitzung ebenso zum Tod verurteilt wird, wie sein unschuldiges Opfer. Diese Sitzung ist etwas vom Eindrücklichsten auf dem Gebiet und nimmt in Bezug auf die Atmosphäre und die Unmöglichkeit, des Angeklagten, sich zu verteidigen, vieles von Kafka vorweg. Auch diese Geschichte stammt aus Hesselius‘ Papieren, ohne dass er darin eine Rolle spielte.

„The Room in the Dragon Volant“ ist die vielleicht schwächste Geschichte in der Sammlung. Sie erzählt von einem jungen, steinreichen Engländer, der auf der klassischen Tour durch Europa in Paris hängen bleibt, weil er sich in eine junge, unglücklich verheiratete Comtesse verliebt. Er will ihr zur Flucht vor ihrem Mann verhelfen. Das ganze ist eigentlich keine Horror-Geschichte, sondern Mystery – will sagen, es kommen zwar übernatürlich anmutende Dinge darin vor, die aber zum Schluss völlig rational aufgeklärt werden. E. T. A. Hoffmann und Jean Paul scheinen hier Pate gestanden zu haben.

Die letzte Geschichte der Sammlung, „Carmilla“, ist sicherlich die bekannteste. Die Story um den lesbischen Vampir fasziniert bis heute und ist wohl die einzige aus der Zeit vor Bram Stokers „Dracula“, die bis heute überlebt hat. Das mag zum Teil an den eindeutigen sexuellen Konnotationen liegen, die die nur oberflächlich unschuldigen Zärtlichkeiten haben, welche die beiden jungen Mädchen (die Erzählerin und Carmilla) austauschen. Zum Teil daran, dass das zugrunde liegende Thema, die Verwechslung von Liebe und sexueller Begier, bis heute aktell ist.

Alles in allem haben wir hier gut gemachte Literatur vor uns, die nicht für den Kopf sondern für den ganzen Leser hergestellt wurde.

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