Kantinterpretation (Eberhard Döring)

Metaphysisch-metaphorisches Gestammel in Reinkultur. Diesfalls muss Nikolaus von Kues als Pate dienen mit seiner Stufenlehre der Erkenntnis, vom Sinnlichen zum Rationalen, das hinwiederum von der Vernunft kontrolliert wird. Und in diese Metainstanz der Vernunft sind Strähnchen der göttlichen Weisheit eingeflochten. Weil es mit der Letztbegründung so seine Schwierigkeiten hat, wird die Metaphorik zur Methode erklärt.

Das hört sich dann so an: “In Dimensionen der Koinzidenz [hier der Zusammenfall von Gegensätzen] herrscht ein anderer Wahrheitsbegriff als im Bereich des Verstandes, weshalb eine Erkenntnistheorie des Rationalismus auch in seiner als ‘kritisch’ propagierten Version mit inkommensurablen Mitteln operiert.” Man immunisiert sich gegenüber der Kritik, indem man die Logik verwirft (nebst dem in dieser Logik vorausgesetzten Wahrheitsbegriff), ersetzt ihn, weil Döring auch “Bereiche auf den Begriff bringen” will, die sich ‘rationis via’ nicht verstehen lassen, durch Metaphern, die als “Grenzbegriffe elastisch genug sind, eine Brücke der Koinzidenz zu bauen, die nicht dem starren Flussbett diskursiver Buchstäblichkeit folgt, sondern dieses zu überqueren erlaubt”. Genau das, was Philosophie nicht sein soll, was sie diskreditiert (zu Recht) und spätestens seit dem deutschen Idealismus überwunden sein sollte. Metaphorisches Gefasel, das hinwiederum Generationen von Kathederphilosphen (wie Döring) zur Interpretation dient, das “gedeutet” werden muss und schließlich die individuelle Exegese zur Wahrheit erklärt (die man eigentlich zuvor abgeschafft hat).

Denn Döring will natürlich den “Status der Wahrheit” neu bestimmen und ihn als “plausibles Kompliment an metaphorisch riskanten Konjekturen anpassen”. Warum? Um nicht kritisierbar zu sein. In seinen Worten: “Damit würde zumindest der dialektische Erkenntnisprozess der Philosophie gegen die Attacken positivistischer und rationalistischer Korrespondenztheorien der Wahrheit geschützt.” Das hat er mehr als notwendig, der gute Mann, dass er sein Elaborat vor Attacken schützt, indem er diese von vornherein als in jedem Fall unzutreffend bezeichnet. Und weiter: “Denn die ‘coniectures’ des re-flektierenden Geistes können nur auf Zustimmung oder Ablehnung, auf Plausibilität oder Implausibilität, aber niemals auf ‘refutationes’ durch eine Verstandeskritik via falsificationis stoßen. Falsifikationen bleiben intern-relationale Kalkulationsfehler der Ratio und finden keine externen Strukturen vor, an denen ein Scheitern auch nur möglich wäre.” Nun, man muss dem Herrn zugestehen, dass er mit seiner Dummheit und Borniertheit wenigstens nicht hinterm Berg hält. Ohne Wittgensteins berühmten letzten Satz zur absoluten Richtschnur des Philosophierens zu erheben: Hier hätte man doch besser die Klappe gehalten. Denn wenn es schon ‘via rationis’ mit dem Verstehen nicht weit her ist beim inkriminierten Philosophen, so muss man dieses doch nicht noch offiziell kund und zu wissen tun.

Das ist Kathederphilosophie schlimmster Provenienz. Es könnte einem egal sein, wenn es nicht genau diese Leute wären, die die Philosopie in Misskredit bringen, eine Denkweise propagieren, die mit Recht als ein bloß sinnleeres Gebrabbel verstaubter Büchergelehrsamkeit in Verrruf geraten ist. Das Schlimme ist die Lehrbefugnis der Betreffenden: Die Erlaubnis, derlei Unsinn zu verbreiten, Studenten damit zu behelligen.

Das Buch will übrigens für den “interessierten Laien” Kants Philosophie aufbereiten. Wie sich der Herr das so vorstellt, wird anhand seiner Erklärung der Koinzidenz, des “Eintretens des Unendlichen in unser Denken” (Tür zu, möchte man meinen) klar: “Denn mit der Kunst der Erkenntnis (‘ars coniecturalis’) wird eine perspektivisch variable und pragmatisch funktionale Ontologie der Plausibilität (als ‘esse respectu ad’) erzeugt, deren mensurable Anmessung sofort in dogmatische Anmaßung umkippen würde, sobald die Kreationen des endlichen Geistes aus ihrer ontologischen Relativität gerissen würden.” (Kursiv durch den Autor) Wenn Klarheit im sprachlichen Ausdruck eine Tugend ist, so bleibt festzustellen, dass dieser Autor von selbiger gänzlich unbeleckt durchs Leben hampelt.

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