Da wir es gestern gerade von der Jacobs School of Music, der Musik-Hochschule der Indiana University in Bloomington (USA) hatten: Mir wurde vor kurzem eine Datei zugespielt, in der sich ein paar Studenten dieser Hochschule zu einem Ad-hoc-Orchester unter der Leitung von Brian Eads (Doktorand in Bloomington) zusammen getan haben, um ein paar Musikstücke einzustudieren und dann vorzuführen. Diese Aufführung fand am 9. März 2014 in der Jacobs School of Music Recital Hall statt und wurde in Bild und Ton festgehalten. Leider finde ich im Internet keinen öffentlichen Link zum Video, und ich fühle mich nicht berechtigt, es irgendwo einzustellen – kein Link also.
Eines der Stücke, die die jungen Leute einstudiert hatten, war der sog. Siegfriedruf. Ursprünglich verwendet ihn Wagner leitmotivisch im Zweiten Tag des Rings des Nibelungen (also in Siegfried), um des Helden Präsenz im Wald zu markieren, während dieser den Vögeln lauscht und ihren Gesang auf dem Jagdhorn imitiert – also kurz bevor Siegfried dann auf Fafner trifft und ihn im Zweikampf tötet. Es existiert aber auch eine Orchesterfassung davon, die wir hier betrachten.
Dräuendes, dunkles Blech markiert den Beginn. Doch schon rasch setzen die Geigen ein, und der Wald verwandelt sich in einen akkustischen Locus amoenus. Horn und die Holzbläser zeigen die Anwesenheit von Vögeln an. (Horn – obwohl ‚technisch‘ Blech, wird ‚akkustisch‘ dem Holz zugerechnet.) Der Held wird schon mal durch helles Blech angekündigt. Dann Stille. Plötzlich das Horn-Solo: Jagdmusik und Vogelgesang zugleich. Diese Stelle, um derentwillen das ganze Orchesterstück eigentlich existiert, ist zugleich die kritische. Nach dem kurzen Moment absoluter Stille hat das erste Horn solo einzusetzen, dazu auf einem für dieses Instrument recht hohen Ton. Hier schwitzt der Dirigent Blut und Wasser – was, wenn der Soloist seinen Einsatz verpatzt und ‚kiekst‘? Die Aufführung ist im Eimer – egal, wie gut der Rest gelungen ist. (Bei der Aufführung der Oper kommt erschwerend hinzu, dass der Soloist hier meist den Orchestergraben zu verlassen hat, auf die Bühne hinter eine Kulisse rennt und dort das Solo bläst, während vor der Kulisse der Sänger des Siegfried ein Hifthorn zu spielen vorgibt. Kaum ist das Solo vorbei, muss dann der Soloist wieder in den Orchestergraben rennen, um dort weiter zu machen.) Das Horn weckt dann auch schon wieder die bösen Geister des Waldes – dunkles Blech setzt ein, bevor dann das Ganze endet in einem heroischen Triumph-Marsch mit Geige, Blech und Perkussion, der Siegfrieds Sieg über Fafner vorweg nimmt.
Die von mir gehörte Datei (mit Olivier Huebscher als erstem Horn und Soloisten) zeigt ein Orchester, das mit Elan und Spielfreude an Wagner herangeht. Die Aufführung ist perfekt gelungen – das Horn-Solo setzt so sauber und präzise ein, wie man es sich nur wünschen kann. Diese Studierenden sind sicher noch zu jung, um eigene Akzente setzen zu können, aber sie haben hier eine ausgezeichnete Visitenkarte abgegeben für sich und ihre Universität. Auch so etwas gibt es im als komplett verschult verschrienen System der US-amerikanischen Universitäten. Es waren genussreiche 13 Minuten.