Gestern vor einer Woche starb, 93-jährig, Christopher Lee.
Ähnlich wie Pierre Brice wurde er durch eine einzige Rolle berühmt. Ähnlich wie Pierre Brice stammte er (zumindest mütterlicherseits) aus europäischem Adel. Ähnlich wie bei Pierre Brice ist die Rolle, mit der er berühmt wurde, aus einem Buch genommen worden. Ähnlich wie bei Pierre Brice hatte er diese Rolle über mehrere Filme hinweg wahrgenommen. Ähnlich wie Pierre Brice versuchte auch er, sich von der Rolle, die ihn berühmt gemacht hatte, zu distanzieren. Ähnlich wie bei Pierre Brice waren seine schauspielerischen Leistungen und sein schauspielerisches Können eher bescheiden. Beiden gemeinsam war schliesslich die Tatsache, dass sie auch bei ihren ungeliebten Kult-Rollen immer ihr Bestes gaben.
Anders als bei Pierre Brice stammte die Rolle, mit der Lee berühmt wurde, nicht nur aus dem Fundus eines regional und sprachlich begrenzten Textkorpus, sondern war schon vor ihm, auf eigene Rechnung sozusagen, ‚Kult‘. Christopher Lee war nicht einmal der erste, der sich an Bram Stokers Figur des Vampirs Dracula versuchte. Aber seine Darstellung wurde stilbildend, wohl auch, weil sein Gesicht und seine Mimik perfekt zu den Vorstellungen passte, die Klein-Maxi von Dracula haben mochte.
Irgendwann aber überkam Lee wohl die Angst, sein Leben lang mit Dracula identifiziert zu werden, und er weigerte sich, diese Rolle weiterhin zu übernehmen. Dass dies an seiner Identifizierung – zumindest für Klein-Maxi (Teil dessen auch ich bin) – nichts änderte, war schon fast tragisch. Zumindest die Rolle des Bösewichts blieb ihm erhalten – ob er nun in einer James-Bond-Verfilmung mitmachte, oder bei Star Wars. Gegen Ende seines Lebens gelang ihm nochmals ein Coup: Peter Jackson engagierte ihn für seine Tolkien-Verfilmungen – als Bösewicht Saruman.
Was liess denn nun Lee (oder auch Brice, quant à ça) zu sog. Kultschauspielern werden? Ich vermute, es hängt viel mit der Unverwechselbarkeit zusammen. Klein-Maxi muss den Schauspieler mit seiner Figur identifizieren können. Wenn die Figur schon vorher, aus dem Medium Buch zum Beispiel, eine gewisse Bekanntheit hatte, hilft das unter Umständen; Klein-Maxi hat dann nur mit einer Unbekannten, dem Schauspieler, zu tun. Hilfreich ist sicher auch, wenn der Schauspieler vorher keine grossen Rollen hatte, denn nur so kann ihn Klein-Maxi völlig mit seiner aktuellen Rolle identifizieren. Bescheidene schauspielerische Fähigkeiten erlauben dem Zuschauer ebenfalls eine schnellere Identifikation. Keiner der Schauspieler aus der deutschen SF-Serie Raumpatrouille erreichte durch die Serie Kultstatus. Das lag sicher auch daran, dass bis in die Nebenrollen Schauspieler agierten, die schauspielern konnten – vielleicht mit Ausnahme jener Dame, die später Friedrich Dürrenmatts Frau und noch später dessen Witwe werden sollte. Kultstatus hat bei der Raumpatrouille statt dessen das Décor erhalten – das seinerseits ein schauspielerisches Defizit auswies, indem sich die verbauten Bügeleisen und Bleistiftspitzer immer noch als solche identifizieren liessen. Die fast zeitgleich zur Raumpatrouille gestartete US-amerikanische TV-Serie Star Trek hingegen verwendete fast nur Leute, die noch nie auf dem Bildschirm in grösseren Rollen zu sehen gewesen waren. Es waren auch nicht die besten Schauspieler: In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts hätte sich, wer ein grosser oder auch nur guter Schauspieler in Hollywood war oder werden wollte, nie für eine TV-Serie hingegeben. Das hätte das Ende seiner Ambitionen bedeutet.
Star Trek hatte Anlaufschwierigkeiten. Aber schlussendlich gab die Unbekannheit von Plot und Schauspielern Klein-Maxi die Gelegenheit, erstere und letztere, Schauspieler und Rolle zu identifizieren.