Eigentlich ist es als eine Art „Kulturgeschichte des Staunens“ konzipiert, ein durchaus interessanter Zugang zu einer Geschichte der Wunder. Aber dieser Versuch (wie im Grunde alles andere in diesem Buch) hält die disparaten Teile nicht zusammen, man merkt ihm allüberall seine lange Vorgeschichte an, es mangelt an jeglicher Struktur (die nicht ansatzweise die Bezeichnung übersichtlich verdient), vieles ist redundant, widerspruchsvoll und oft wissen die Autorinnen selbst nicht mehr, was sie in einem vorhergehenden Kapitel geschrieben haben (das Staunen des Königs von Siam über gefrorenes Wasser findet dreimal Errwähnung – und stets in einer Art, als ob es nun etwas völlig Neues sei: Man erinnerte sich schlicht nicht mehr, diese Anekdote schon erzählt zu haben).
Und so wird Kapitel für Kapitel das mehr oder weniger Gleiche abgehaspelt, der kulturgeschichtliche Aspekt des Staunens bzw. der Neugier ein ums andere mal strapaziert (mit – wie erwähnt – zahllosen Widersprüchlichkeiten und noch zahlloseren Wiederholungen), sodass der Eindruck entsteht, dass lange Passagen des Buches sich einem durch Glossare und Indices historischer Werke quälenden Forschergeist verdanken, der die aufgefundenen Stellen ohne viel Federlesens referiert. (Daraus aber ergibt sich zumindest ein positiver Gesichtspunkt: Man stößt auf interessante Primär- und Sekundärliteratur).
Das Substantielle ist schnell aufgezählt: Die Unterscheidung zwischen wundersamer Natur (meist an den Rändern der Zivilisation angesiedelt) und wundersamen Vorzeichen (Prodigien), die auf eine Entäußerung von Gottes Willen hinweisen. Oder der – m. E. misslungene – Versuch, die zunehmend reserviertere Einstellung gegenüber Wundern in der Aufklärung auf eine sich in der Gesellschaft etablierende, neue Mentalität zurückzuführen und damit Georges Canguilhem widersprechend, der – sehr einleuchtend – diese Distanz der Gesellschaft auf den neuen, aufklärerisch-naturwissenschaftlichen Geist zurückführte. Diese Alternativdarstellung ist symptomatisch: Seitenlang weiß man kaum, worauf die Autorinnen hinaus wollen, einzig das, was sie nicht wollen, wird klar ausgesprochen. Und auch nach dem Ende des Kapitels bleibt man völlig im unklaren darüber, worin nun eigentlich der große Unterschied zwischen Canguilhem und den Autorinnen bestehen soll.
Diese Redundanz und Widersprüchlichkeit führt – trotz des faszinierenden Themas – zu einer kaum zu überbietenden Langeweile beim Leser, sodass es schon einiger Konsequenz und Ausdauer bedarf, den Wälzer bis zum Schluss durchzuhalten (das von der Universitätsbibliothek entliehene Exemplar war auf den letzten 50 Seiten definitiv jungfräulich, sodass ich mich also als den bislang einzigen an der Uni bezeichnen darf, der diese Tortur bis zum Ende ertrug*). Wobei es eben keinesfalls an der Thematik des Buches liegt, diese könnte (und sollte) philosophisch und kulturhistorisch spannend aufbereitet werden können. Dafür bedarf es aber eines Mindestmaßes an Struktur, an Übersichtlichkeit, etwas, das dieses Buch nicht in Ansätzen besitzt. Ein kleines Positivum sei noch erwähnt: Die bildlichen Darstellungen sind recht gut gewählt und wirklich hilfreich. Aber ansonsten ist es ein Beispiel dafür, wie man ein Buch nicht schreiben sollte.
*) Das parallel gelesene Buch von Malcolm Lambert: Ketzerei im Mittelalter, das als Nachschlagewerk ausgewiesen ist, liest sich im Vergleich dazu wie ein fesselnder Kriminalroman.
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