Wer sich angesichts des achten Stücks von 1797 gefragt hat: „Können die Horen noch tiefer sinken?“, wird sich angesichts des neuntens Stücks entsetzt antworten müssen: „Ja, sie können.“
Schillers offensichtliche Not, noch Beiträge für sein einstiges Vorzeigeprojekt zusammen zu kratzen, zeigt sich nicht nur am Auslieferdatum (in Jena z.B. erst am 6. Dezember 1797). Sie zeigt sich auch an der geringen Zahl der Beiträge; es sind nämlich nur deren drei.
Zwei davon kennen wir bereits, es handelt sich nämlich um Fortsetzungen. Da ist die von Gotters Singspiel Die Geisterinsel nach Shakespeares Der Sturm. Ein Paradebeispiel dafür, wie man aus einer interessanten und guten Vorlage einen höchst langweiligen und zähen Brei mixen kann. Zum Glück des Lesers zwingt der Manuskripte-Mangel den Herausgeber, den Rest von Gotters Oper gleich in dieser Nummer zu verbraten. Es drohen also keine weiteren Fortsetzungen. Mais passons. Die andere Fortsetzung ist die ebenfalls zähe und langweilige der Wolzogen’schen Übersetzung des Marschalls von Vieilleville. Nichts ist langweiliger als Heldenverehrung. Ausser der Verehrung eines dem Leser völlig unbekannten Helden. Passons.
Dann sind da noch Die Gallier in Rom, ein Gedicht von Johann Diederich Gries. Der war 1797 noch ein bummelnder Student der Rechte in Jena, und kümmerte sich mehr ums literarische Leben ringsherum, als um sein Studium. Er hatte als Lyriker bereits kleinere Wellen geschlagen; es war ja nicht so, dass Schiller einen absolut Unbekannten bzw. literarischen Frischling in seine Horen aufnahm. Aber Gries, der 1797 im Grunde genommen bereits der Jenaischen Romantik zugeordnet werden müsste, lieferte hier eine seltsame Mischung von Ballade und Gedankenlyrik, angelehnt an Schillers Ästhetik, und versuchte, die Begriffe von Anmut und Würde lyrisch zu exemplifizieren. Das Resultat ist, wie Goethe gesagt hätte, breit getret’ner Quark. Gries sah später selber ein, dass sein eigenständig-lyrisches Talent klein war, und wechselte ins Übersetzer-Fach. Ein echter Romantiker in der Wahl seiner zu übersetzenden Autoren (Torquato Tasso, Ariost, Calderón), werden seine Überstzungen bis heute geschätzt und herangezogen.
Damit ist diese Nummer der Horen aber auch schon zu Ende, und der Leser stellt mit Entsetzen fest, dass der letzte Band des Reprints erst zur Hälfte gelesen ist.
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