= Werke in vier Bänden. Erster Band. Herausgegeben von Gerhard Steiner. Leipzig: Insel, o.J. [1971].
Als Johann Reinhold Forster sozusagen in letzter Sekunde gefragt wurde, ob er nicht die Stelle von Joseph Banks als wissenschaftlicher Begleiter von James Cook einnehmen würde – Banks hatte zu viele und zu hohe Ansprüche gestellt, wollte Cooks Schiff praktisch komplett umgebaut haben für sich – sagte er sofort zu. Einzige Bedingung: Sein Sohn und De-facto-Handlanger Georg musste mit. Das durfte er denn auch.
Johann Reinhold Forster hatte sich wohl Hoffnungen gemacht, im Anschluss an die Reise auch den offiziellen Reisebericht schreiben zu dürfen. Die britische Admiralität verweigerte ihm dies allerdings: Zu schlecht war Forster seniors Englisch, zu pointiert sein auf bürgerliche Gleichstellung gerichteter Standpunkt und zu gut konnte Forster senior es sich mit allen verderben. Ein Angebot, dass sein Bericht von einem ’native speaker‘ überarbeitet (und wohl auch einer Zensur unterworfen!) werden sollte, lehnte J. R. Forster ab. Dass er – gelinde gesagt – kein Diplomat war, verschlechterte Forsters Position zusätzlich. Es kam, wie es kommen musste: Vater Forster verkaufte sein Manuskript lieber an die Admiralität, und sein Sohn war dafür frei, eigene und väterliche Notizen zu einem eigenen Bericht zu verarbeiten. Georg Forster schrieb ihn zuerst auf Englisch (1777) und übersetzte ihn dann selber, um ihn 1778-1780 in Berlin zu veröffentlichen. Georg Forster war, im Gegensatz zu seinem Vater, ein Sprachentalent. Er hatte schon früh Bougainvilles Bericht von dessen Weltumsegelung ins – Englische übersetzt. Sein Sprachentalent war ihm auch eine grosse Hilfe, als es in Tahiti und den umgrenzenden Inseln darum ging, mit den Eingeborenen zu kommunizieren. Es war ihm eine Hilfe, als es darum ging, die Verwandtschaft der vielen dort gesprochenen Dialekte zu identifizieren.
Wenn man Forsters Reisebericht liest, wird man feststellen, dass die ersten Kapitel, wo Cook und seine Gesellschaft vorwiegend naturwissenschaftlich-biologische Studien trieben, etwas langweilig sind. Man hat als Leser den Eindruck, auch Forster langweile sich. Der junge Mann (Forster war bei Reiseantritt gerade mal 17 Jahre alt und wurde von seinem Vater wohl kaum gefragt, ob er mitkommen wolle), der junge Mann also und sein Bericht blühen erst auf, als die beiden Schiffe Cooks auf Menschen treffen. Die Erkundung fremder sozialer Strukturen – das war im Grunde genommen Georg Forsters Gebiet. Er geht dabei erstaunlich vorurteilslos zu Werke. Er beschreibt. Er will wissen. Er kann und will nicht urteilen. Ob es darum geht, dass Eingeborene Hunde essen oder auch andere Eingeborene, ob es darum geht, dass manche sich nicht nur nicht dezent bekleiden, sondern sogar auf ihren Penis mit speziellen Hüllen aufmerksam machen: Forster beschreibt – und er führt Beispiele aus Europa an, die zeigen, dass der Europäer genauso oder ähnlich handelt, oder zumindest einmal handelte (die ausgesprochen sprechenden Hosenlätze der Landsknechte aus dem 15. Jahrhundert beispielsweise). Als er erfährt, dass einige Offiziere und Matrosen vom Schwesterschiff auf dem Heimweg in Neuseeland erschlagen und gefressen worden sind, ist er zwar zunächst entsetzt. Aber er fragt nach und findet heraus, dass die Einheimischen offenbar aufs Übelste von einem Rassisten provoziert worden sind. Wut und der Drang, sein eigenes Leben zu verteidigen: Im Gefühl und im menschlichen Grundbedürfnis erkennt Georg Forster auch im ‚Wilden‘ den Menschen wieder. Zwar ist dieser Wilde dann kein edler Wilder mehr – aber auch der Zivilisierte ist kein edler Zivilisierter. Es gibt in dieser Hinsicht für Georg Forster offenbar keine Entwicklung des Menschen – weder zum Schlechteren, wie es Rousseau für seine Gesellschaftstheorie in eben dieser Theorie postulierte, noch zum Besseren, wie es die Rassisten schon zu Forsters Zeit behaupteten. (Nebenbei formuliert Forster implizit die Behauptung, dass Rassismus die Folge mangelnder Aufklärung, d.i. Bildung, sei.)
Der erste grosse Reisebericht eines Deutschen – es ist sehr schade, dass Georg Forster (abgesehen von seiner, nicht dem Reisebericht geschuldeten Vereinnahmung durch die DDR) in Vergessenheit geraten ist. Zumindest als Reiseschriftsteller könnte er bis heute einem jeden als Vorbild dienen.
3 Replies to “Georg Forster: Reise um die Welt”