James Cook: The Journals 1768-1779. The Second Voyage 1772-1775

Cooks Tagebücher aus den Jahren 1768 bis 1779, d.h. die seiner in dieser Zeit stattfindenden Weltumsegelungen, wurden 1955-1967 von J. C. Beaglehole in vier Bänden erstmals komplett herausgegeben. Diese Gesamtausgabe (und auch zwei nachfolgende Reprints) verkauften sich so gut, dass sie in kürzester Zeit ausverkauft und selbst antiquarisch – wenn überhaupt – nur für teures Geld zu haben waren. Das bewog 1999 Penguin Classics und Philip Edwards eine auf der Gesamtausgabe basierende 3-bändige Auswahl- und Leseausgabe herauszugeben, die 2003 (mit einem aufgefrischten Part zur weiterführenden Lektüre) nochmals erschien. Vor mir liegt nun eine Neuausgabe der 2003 erschienenen Penguin-Ausgabe, die diesen Herbst bei der Folio Society erschienen ist – wie immer bei diesem Verlag in Leinen gebunden und mit vielen Illustrationen aus der Zeit versehen. Dazu nicht nur die Landkarten, die schon der Pinguin seiner Ausgabe beigab, sondern auch in einem separaten Anhang eine in Originalgrösse gehaltene Karte aus der Zeit, in der sämtliche Reisen Cooks nachgetragen sind.

Cook war nach seiner ersten Weltumsegelung so etwas wie ein Star. Der englische König, Georg III., berief ihn am 14. August 1771 zu sich. Bei dieser Audienz erhielt Cook nicht nur seine Beförderung zum Commander (nachdem er seine erste Reise als Lieutenant angeführt hatte), man sprach auch bald über eine zweite Reise. Stand doch die Tatsache im Raum, dass Cook – sehr gegen seinen Willen – auf der ersten die Existenz (oder eben Nicht-Existenz) des von vielen Geografen vermuteten grossen südlichen Kontinents (der Terra australia incognita) nicht hatte nachweisen können, was ihm nach der Veröffentlichung des Berichts von seiner ersten Reise (redigiert von einem Opern-Librettisten!) von kritischen Stubenhockern denn auch zum Vorwurf gemacht worden war. Schon bald nach dieser Audienz erhielt Cook den offiziellen Auftrag, sich mit einem neuen Schiff auf die Suche zu machen. Nicht zuletzt auch aus geo-, also machtpolitischen, Überlegungen war Grossbritannien sehr daran interessiert, so einen Kontinent nicht nur zu entdecken, sondern vor allem für sich in Anspruch zu nehmen.

Die Endeavour, Cooks Schiff auf der ersten Reise, war für eine zweite nicht mehr zu gebrauchen. Statt dessen begann man zwei andere derselben Bauart auszurüsten, die Resolution (die Cook persönlich kommandierte) und die etwas kleinere Adventure. Und jetzt fand etwas statt, das in seiner Bizarrerie wohl einzigartig ist in der Geschichte der Wissenschaften wie der Weltumsegelungen:

Joseph Banks, der es für selbstverständlich hielt, dass er wieder mitreiste, verlangte, dass der hintere Schiffsteil, dort, wo sich die Kapitänskajüte befand, angehoben und aufgestockt würde, damit auch er und seine Entourage (Banks beabsichtigte, u.a. zwei Hornisten mitzunehmen – warum auch immer) genügend Platz und vor allem genügend hohe Räume hätten. (Ich bin anlässlich der Zusammenfassung der ersten Reise darauf aufmerksam gemacht worden, dass in Sidney ein Nachbau der Endeavour ausgestellt ist, den man auch betreten kann. Ich war selber nicht dort, kenne aber andere Schiffe aus der Zeit, und glaube meinem Korrespondenten aufs Wort, dass die Kapitänskajüte der einzige Raum auf dem Schiff war, wo ein Mensch gerade stehen konnte.) Banks also wollte mehr Platz. Cook und die Admiralität wehrten sich gegen einen Umbau der Resolution. Nicht nur, weil das einen Zeitverlust bedeutete, sondern vor allem, weil die Fachleute befürchteten, das Schiff werde zu toplastig. Banks steckte sich hinter einen einflussreichen Politiker, und der Umbau wurde dennoch ausgeführt. Erste Tests schienen selbst dem skeptischen Cook zufriedenstellend zu verlaufen. Als aber das Schiff auf dem Weg vom Dock zum eigentlichen Starthafen zum ersten Mal auf hoher See und bei etwas rauerem Wind unterwegs war, stellte sich heraus, dass es tatsächlich toplastig geworden war und bei noch höherem Wellengang unweigerlich kentern würde. Diesmal setzten sich Cook und die Admiralität durch: Die Aufbauten wurden, so gut das in aller Schnelle ging, wieder entfernt. Banks, der offenbar eine gegen ihn gerichtete Intrige witterte, zog sich zornentbrannt zurück. Was tun? Die Expedition brauchte einen wissenschaftlichen Mitarbeiter. Banks hätte seine Reise selber bezahlt. Da sich aber mit Banks auch ein Astronom zurückzog, dem das Parlament die Expedition bezahlt hätte, konnte man das Geld für einen neuen wissenschaftlichen Mitarbeiter verwenden. Die Wahl fiel auf Reinhold Forster. Der nahm als einzigen Gehilfen seinen 17-jährigen Sohn Georg mit. Reinhold Forster, der tatsächlich ein sehr streitbarer Charakter gewesen sein muss, gilt vor allem im englischen Sprachraum als so etwas wie der Inkubus der Expedition. Philip Edwards, der Herausgeber meiner Ausgabe, lässt ihm in seiner Einführung mehr Gerechtigkeit widerfahren:

Forster was not at all an easy man to get along with, and there was to be a good deal of friction between him and the officers, including Cook. But he was a learned and able scientist, and his son was something of a genius.

Tatsächlich verdarb es sich Forster senior zum Schluss so ziemlich mit allen, inklusive der Admiralität. Man hielt ihm seinen Lohn lange vor und verbot ihm auch, einen Bericht über diese Reise zu veröffentlichen. Das war möglich, weil in seinem Anstellungsvertrag ein entsprechender Passus stand. Georg allerdings, der nicht angestellt gewesen war, konnte man eine solche Veröffentlichung nicht verbieten.

Diesmal reiste Cook von West nach Ost, „rechts herum“, wie es Richard Katz in wohl gepflegter Simplizität zu formulieren pflegte. Nach Kap Horn stach er so weit in den Süden, wie er nur konnte. Auf der Südhalbkugel war Sommer, und Cook kam ziemlich weit nach Süden. So weit, wie er zu Recht notierte, wie noch keiner vor ihm gekommen war und, wie er zu Unrecht notierte, auch keiner je wieder kommen würde. Er konnte aber nachweisen, dass es einen Südkontinent nicht gab, vermutete allerdings, wieder zu Recht, dass es da irgendwo noch weiter südlich eine grössere, allerdings von Eis bedeckte Landmasse geben müsse, die allerdings nicht der angeblich so oft gesichtete Südkontinent sein konnte. Er besuchte bereits bekannte Teile Neuseelands und Tahitis, sowie der umliegenden Inseln. Er traf alte Bekannte, aber auch neue Verhältnisse. Es fällt auf, dass das Tagebuch der zweiten Reise nun auch viele Einheimische beim Namen nennt und genauere Auskünfte über die herrschenden sozio-politische Situation vor Ort enthält. (Ich schreibe das dem entsprechenden Interesse von Georg Forster zu.) Cook verlor unterwegs den Kontakt zum Begleitschiff Adventure (das tatsächlich ein Jahr vor der Resolution nach England zurück kehrte), und kam selber, diesmal über die Azoren, 1775 wieder in England an.

Auch dieses Tagebuch zeichnet sich durch seine Trockenheit eben so aus, wie durch die eigenwillige Orthographie des Seebären Cook. Einige Passagen fanden sich später 1:1 im offiziellen Bericht wieder. Cook – davon im Tagebuch der zweiten Reise kein Wort – hatte allerdings noch nicht genug. Er würde wieder in See stechen.

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