Bernard Mandeville: Die Bienenfabel oder Private Laster, öffentliche Vorteile

suhrkamp taschenbuch wissenschaft 300.

Bernard Mandeville (nicht zu verwechseln mit seinem mittelalterlichen Namensvetter John, der eine fiktive Reise in den fernen Osten, zum Priesterkönig Johann, aus verschiedensten Quellen zusammenkompilierte und -fabulierte) lebte von 1670 bis 1733. Ursprünglich Holländer, liess sich Bernard Mandeville in London nieder, und feierte dort Erfolge nicht nur in seinem angestammten Beruf als Arzt, sondern auch als Pamphletist und Autor. Die Bienenfabel ist dabei sein bekanntestes Werk.

Mandeville ist kein systematischer Denker. Oft kam ihm sein Hang zur Satire in die Quere. So kann es durchaus geschehen, dass er einen Gedanken nicht zu Ende führt oder sich auch im Verlaufe eines Buchs selber widerspricht.

Mandevilles Hauptthese in der Bienenfabel drückt sich schon im Untertitel aus: Mandeville vertritt die Ansicht, dass, was die Gesellschaft als Laster bezeichnet, im Grunde genommen nur für die Einzelperson als Laster zu betrachten ist – der Gesellschaft helfen solche Laster gerade weiter. Dabei fasst er ‚Öffentlichkeit‘ oder ‚Gesellschaft‘ in einem ökonomischen Sinne auf. So kommt er zum Schluss, dass das private Laster derer, die es mit dem Mein und dem Dein nicht so genau nehmen, Dieben und Einbrechern also, volkswirtschaftlich zu begrüssen ist. Der Wohlhabende wird das Geld unter seinem Kopfkissen zu schützen versuchen, stärkere Türen und bessere Schlösser an seinem Haus anbringen lassen, und so Zimmerleuten und Schlossern Arbeit und Geld bescheren. Glückt es dem Einbrecher trotzdem, das Geld unterm Kissen zu stehlen, ist auch das volkswirtschaftlich überaus positiv zu werten – kommt doch so das vom reichen Mann dem ökonomischen Kreislauf entzogene Geld wieder in Umlauf, weil der Einbrecher damit seine Geliebte, Hürchen, Saufkumpane und Schenkenwirte beglückt. Auch der ständig wechselnden Mode kann Mandeville nur Positives abgewinnen: Der modische Zwang zum neuesten Hut z.B. verschafft Hutmacherinnen und Modistinnen Arbeit, die sie sonst nicht hätten. Mandeville war, wenn nicht der erste, so doch einer der ganz frühen Autoren zur Wirtschaftswissenschaft, der den Geldkreislauf erkannte.

Dabei trägt die Bienenfabel durchaus auch sinistre Züge. Mandeville wehrte sich gegen die in England langsam auftauchenden Bemühungen, die Schule für jedes Kind zugänglich zu machen, weil, so argumentierte er, ein Kind, das lesen und schreiben gelernt hat, nun auch eine Arbeit haben will, bei der es seine Kenntnisse anwenden kann. Für Mandeville aber war es unumgänglich, dass ein gewisser, ziemlich grosser Bodensatz an armen Leuten vorhanden war für vielerlei Arbeiten, die von ihnen ausgeführt werden mussten. Das Konzept eines Mittelstandes war ihm einigermassen fremd. Dass ein möglicher gesellschaftlicher Aufstieg die Produktionsfreude des Einzelnen und somit den Wohlstand des Gesamten steigern könnte, ist Mandeville nicht in den Sinn gekommen.

„Schau die Menschen und die Gesellschaft an, wie sie sind, und nicht, wie Du dir erträumst, dass sie sein sollten!“, könnte man Mandevilles ethisch-ökonomisches Credo formulieren. Kein Wunder, stiess er mit Denkern wie Shaftesbury oder Hutcheson zusammen. Die Philosophie Shaftesburys nennt er im zweiten Teil der Bienenfabel sinngemäss die Schönwetter-Philosophie eines reichen Nichtstuers, die die tatsächlichen menschlichen wie ökonomischen Gegebenheiten völlig verkennt.

Jedenfalls kann man im 21. Jahrhundert Mandeville immer noch mit Vergnügen und (wenn auch nicht ökonomischem) Profit lesen, während Shaftesbury ein Autor für Literatur- und Philosophiehistoriker geworden ist.

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