Lynda Mugglestone: Samuel Johnson & the Journey into Words

Lynda Mugglestone ist Inhaberin des Lehrstuhls für Geschichte der Englischen Sprache am Pembroke College (Universtity of Oxford). Am selben College hat seinerzeit auch Samuel Johnson studiert. Muggleston hat auch nicht das erste Mal über ihn publiziert.

Der Titel mit seinem Bild der Reise hat mich beinahe dazu verführt, dieses Buch auch unter den Reiseberichten abzulegen. Tatsächlich war es zu Johnsons Zeit ein stehender Topos, dass der Lexikograf sein Unternehmen als eine Reise betrachtete. Vor Johnson meist zu Land, wo dann das Wörterbuch gleichzeitig so etwas wie ein Reiseführer sein sollte, der die sichersten und kürzesten Wege im Dschungel der Wörter angab. Unmittelbar vor Johnson und bei Johnson selber änderte sich das Bild der Reise dahingehend, dass daraus eine Schifffahrt wurde – mit allen Imponderabilien, die damals eine Hochseeschifffahrt auf einem Segler mit sich brachte: Stürme und Flauten ebenso wie die Unsicherheit, wo genau man mit seinem Projekt landen würde und wie man an Land von den Einheimischen (im Falle eines Wörterbuches: von den Kritikern) empfangen würde. Bzw. bei Johnson, im Zeitalter des aufkommenden Kolonialismus: Wie man die Einheimischen behandeln sollte.

Mugglestone verfolgt Samuel Johnsons Projekt mehr oder weniger chronologisch und kann so auch die Entwicklung seines Vorgehens aufzeigen. Immerhin dauerte das Ganze von 1747, als Johnson seinen Plan of a Dictionary veröffentlichte bis ins Jahr 1773, als Johnson die letzte Ausgabe seines unterdessen weltberühmten Wörterbuchs noch einmal selber publizieren konnte. Und Plan of a Dictionary von 1747 war keineswegs das erste Mal, dass sich Johnson Gedanken zum Wörterbuch machte.

Europäisch gesehen gingen ihm die Academia della Crusca in Italien und die Académie française voran, und auch in England war Johnson nicht der erste. Vielleicht war nicht einmal die Erwartungshaltung neu, die man an Johnsons Projekt herantrug. Damals wie heute erwarteten viele – darunter interessanterweise auch die grossen Satiriker Swift und Smollet! – von einem Wörterbuch eine normative Fixierung des Sprachgebrauchs, die ein für allemal Gültigkeit haben sollte. Johnson war ursprünglich durchaus bereit, dieser Forderung nachzukommen. Erst auf der Reise selber fielen ihm die Schwierigkeiten auf. Schliesslich finden wir, wie Muggleston nicht müde wird zu betonen, in seinem Wörterbuch eine Mischform. Johnson ist keineswegs so präskriptiv, wie der Ruf, der ihm voraus geht. Wohl verwirft er das eine oder andere Mal eine bestimmte Verwendung oder gar ein bestimmtes Wort kategorisch. Andere Male aber finden wir Wendungen wie „Wird heute so und so verwendet“ oder „Wird heute nicht mehr so verwendet“. Und das gilt für semantische oder orthografische Unterscheidungen ebenso wie für grammatische, wenn z.B. bestimmte Partizipformen besprochen werden. Selbst sprachpuristische Bewegungen werden – fortiter in modo, suaviter in re – in Johnsons eigenen theoretischen Überlegungen stark begünstigt, in der Praxis wird er das eine oder das andere Wort französischer Provenienz halt doch durchlassen. Und nicht zuletzt gibt Johnson auch das eine oder andere Mal ganz einfach zu: „Ich weiss es nicht.“

(Wer bei einer Neuauflage des Dudens die entsprechenden Diskussionen und Beiträge im Feuilleton ebenso wie in Benutzerforen verfolgt, wird in den Forderungen an – und in den Reaktionen auf – Johnsons Wörterbuch entdecken, dass sich die Geschichte eben doch wiederholt. Nur ein Nicht-Wissen würden wir heute einem Wörterbuch nicht mehr durchlassen.)

Ähnlich steht es mit der Diskussion darum, welcher Sprachgebrauch denn nun (allenfalls) als vorbildlich gelten sollte. Dass es zu Johnsons Zeit kein anderer als ein literarischer sein konnte, war zwar unhinterfragt – aber Literatur aus welcher Epoche? Chaucer wird zwar für historische Beispiele herangezogen, aber war dann wohl doch zu alt. (Chaucer diente aber als Beispiel dafür, warum es ein präskripives Wörterbuch brauche: Es sollte nicht noch einmal geschehen, dass ein Autor englischer Zunge im eigenen Land quasi übersetzt werden müsse, damit man ihn auch noch nach Jahrhunderten verstehe.) Ich weiss nicht, ob Johnsons Epoche die erste war, die den Begriff auf das elisabethanische Zeitalter anwandte, aber man kam überein, dass vor allem die Autoren jener Zeit als die einer Goldenen Epoche berücksichtigt werden sollten, allen voran natürlich Shakespeare. Innerhalb jener Epoche galten aber dennoch die einen oder andern als ‚klassischer‘ als die andern. Aber auch hier ging Johnson in der Praxis wieder bedeutend gemässigter vor. Nicht nur wurden in seinen Beispielen auch Autoren späterer Epochen grosszügig berücksichtigt (Johnson belegte jeden Gebrauch eines Worts mit mindestens einen Zitat aus einem Schriftsteller!). Auch eigentlich ausgeschlossene Autoren kamen zum Handkuss (was Johnsons Kritiker natürlich sofort auf den Plan rief). Und last but not least kritisierte Johnson auch das eine oder andere Mal den Sprachgebrauch des grossen Shakespeare.

Eine materialreiche und vor allem durch die Verwendung von Zitaten Johnsons aus seinem Wörterbuch auch oft witzige Zusammenstellung und Einordnung von Fakten über Johnson und sein Lebensprojekt. Empfehlenswert für alle biografisch und an der Geschichte der Sprachgeschichte Interessierten.

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