Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Luise Maske hat auf der Strasse ihre Unterhose verloren. Ihr Mann Theobald ist entsetzt. In der Nähe fuhr gerade der Kaiser vorüber. Während Luise hofft, dass die daraus entstandene Aufregung von ihrem Missgeschick abgelenkt hat, fürchtet Theobald, dass der hohe Herr selbst es mitbekommen hat und dass nun seine (subalterne) Beamtenstelle in Gefahr ist. Beide sollten sich täuschen.
Das Stück eröffnet mit einer Szene, die der verklemmte und verkorkste Theobald seiner Frau macht und in deren Verlauf er sie sogar schlägt. Was zunächst aussieht wie ein frühes Stück zu den Rechten der Frau, weitet sich aus zu einem Panorama kleinbürgerlichen Lebens im Deutschland kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Es mieft an allen Ecken und Enden. Luises Missgeschick nämlich blieb nicht unentdeckt. Selbst ihre Nachbarin, Gertrud Deuter, weiss schon davon. Sie erklärt sich Luise gegenüber unter zwei Augen bereit, ihr neue, schicke Unterhosen aus feinstem Stoff und nach neuestem Schnitt zu nähen, ja, sie will auch als Signalposten dienen, wenn Luise ihren Geliebten empfängt. Ein solcher, zumindest prospektiver, hat sich nämlich soeben gemeldet – eigentlich sind es sogar zwei. Um Theobalds Gehalt aufzubessern, vermieten Maskes einen Teil ihrer Wohnung weiter, und alsbald melden sich zwei Männer, die die beiden Zimmer nehmen wollen: Frank Scarron, aus besserem Haus, der Luise gegenüber rasch klar macht, dass er ihr Missgeschick als Signal sexueller Berreitschaft verstanden hat, und Benjamin Mandelstam, ein Friseur, der es zwar auch so verstanden hat, aber in eigener Verklemmtheit seine Erregtheit umbiegt und sich in Frau Maske verliebt glaubt. (Aus Luises erhoffter Affäre mit Scarron wird übrigens nichts – der junge Mann zieht sich schon nach einem Tag aus seinem Untermietverhältnis wieder zurück. Dafür wird Gertrud Diener die Geliebte Theobalds.)
Mandelstams Name gibt Theobald auch Gelegenheit dazu, sich zu seiner antisemitischen Einstellung zu bekennen:
Ich bin Deutscher. Mache keinen Lärm um die Judensache, doch am besten das Rote Meer zwischen diese und mich.
Diese Kostprobe verrät uns zugleich den Stil Sternheims. Während das Thema des Dramas durchaus Hauptmanns Naturalismus entstammen könnte (von dem Sternheim sich in einem später hinzugefügten Vorwort distanziert), ist die Sprache mit ihren gesucht-ungewöhnlichen Satzstellungen definitiv expressionistisch.
Ich will nicht behaupten, diesen kleinbürgerlichen Mief gebe es heute, 100 Jahre später, nicht mehr – im Gegenteil. Dennoch will mir scheinen, dass Sternheims bürgerliches Lustspiel nur noch etwas für den (Literatur-)Historiker ist. Und das liegt nicht daran, dass sich heute Frauen wie Männer nicht mehr schämen, wenn Fremde ihre Unterhosen sehen können. Oder auch, wenn sie sehen können, dass sie gar keine mehr tragen…
Gelesen in der Ausgabe Darmstadt, Neuwied: Hermann Luchterhand, 71982. = Sammlung Luchterhand 224.