Eine Besprechung des Buches – wenn es keine reine Inhaltsangabe sein will – muss vor allem auf die Sorgfalt verweisen, mit der Schubert sich seinem Thema nähert: Nirgendwo wird der Leser im Unklaren darüber gelassen, wie der Autor zu seinen Schlussfolgerungen gelangt (ob den Interpretationen immer zugestimmt werden kann ist Sache der Fachwissenschaft, man gewinnt keinesfalls den Eindruck, dass die Darstellung auch nur in Teilen fahrlässig sei). Allerdings ist diese komprimierte Faktensammlung nicht nach jedermanns Geschmack (und die lästige Angewohnheit, die Fußnoten am Ende des Buches zusammenzufassen, stört den Lesefluss zusätzlich) und es ist kein Buch, das man in einigen wenigen Tagen wegliest. Das alles sind für mich Positiva, soll aber zur Warnung für all jene dienen, denen an einer gefälligeren Aufbereitung gelegen ist.
Dass Schubert sich in seiner Darstellung nicht auf die reine Alltagsgeschichte beschränkt (was gute Alltagsgeschichte eigentlich nie tun darf, da sie eingebettet ist in gesellschaftliche und politische Strukturen, die erst ein tieferes Verständnis erzeugen), ist ebenfalls lobend hervorzuheben: So sind Ess- und Trinkgewohnheiten nicht ohne Analyse obrigkeitlicher Regulierungsmöglichkeiten nachvollziehbar, die Änderung der politischen, verfassungsrechtlichen Strukturen (etwa die Auflösung der Villikationsverfassung) hat großen Einfluss auf die Ernährungsweise des Volkes. Dazu kommen die von mir stets goutierten Ausflüge in die Etymologie: Gerade die Alltagsgeschichte ist eng verwoben mit Wortherkunft und Wortentwicklung.
Wem also an einer detaillierten Beschreibung mittelalterlicher Ess- und Trinkgewohnheiten gelegen ist (nebst Aufklärung so manch rezenter (Vor-)Urteile oder (gewollter) Missverständnisse – wie dem stark strapazierten „Reinheitsgebot“ bayrischer Biere, das mit „Reinheit“ nichts zu tun hatte, sondern zur Festsetzung eines Höchstpreises diente), dem ist hier in hervorragender Weise gedient. Gerade diese Maßnahmen einer Preisregulierung muten teilweise modern und aktuell an: Man müsste ja nicht das ganze, zur Stagnation führende Zunftwesen kopieren, sondern sich nur die am sozial Schwachen orientierten Regelungen zum Vorbild nehmen. Insofern ist dieses Geschichtsbuch (wie jedes gute Geschichtsbuch) kein bloßes Referieren des Vergangenen, sondern fordert auch zum Vergleich mit einer ökonomisch nicht wirklich gut geordneten Gegenwart heraus. Lesenswert!
Ernst Schubert: Essen und Trinken im Mittelalter. Darmstadt: WBG 2006.