Was haben Walter Benjamin und Jane Austen gemeinsam? Wenig, will es scheinen. Ausser, dass beide in diesen Tagen vermehrt den Weg in die Medien gefunden haben – Walter Benjamin, weil sich vorgestern, am 15. Juli, sein Geburtstag zum 125. Mal jährte; Jane Austen, weil sich morgen, am 18. Juli, ihr Todestag zum 200. Mal jähren wird.
Und doch … Beide werden meiner Ansicht nach etwas verkannt. Benjamin, den man allzu lange als Theoretiker allzu nahe an die Frankfurter Schule gerückt hat, und der nun, wo die Frankfurter Schule zum alten Eisen gezählt wird, mit ihr von der Bildfläche verschwunden ist. Dabei ist sein Ursprung des deutschen Trauerspiels durchaus auch heute noch lesenswert, und seine Autobiografie Berliner Kindheit um neunzehnhundert ist wohl eine der besten Autobiografien, die man lesen kann – vor allem, weil Benjamin als einer der wenigen nicht die Sicht des späteren Erwachsenen auf seine Kindheitserinnerungen aufpfropft, sondern sich bemüht, diese so wiederzugeben, wie er sie in seinem Gedächtnis findet.
Und Jane Austen? Sie gilt heute weitherum als Autorin seichter Liebesschmonzetten, die sie gar nie war. Alle – und es sind, das muss leider gesagt werden, vor allem Frauen, die so lesen – die Austens Romane als Liebes- und Schmachtromane lesen, und sich allenfalls gar in einen der männlichen Protagonisten verlieben, übersehen die feine Ironie, die Austen an den gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit übt. (Und die, was die Stellung der Frau betrifft, bis heute nur bei einer dünnen Kruste der europäischen Ober- und Mittelschicht ein wenig anders sind.)
Beide verdienten also eine vermehrte und eine aufmerksame Lektüre. Wenn nur solche Jahrestage dazu verhelfen könnten…
Jane Austen lasse ich außen vor: Aber ob man Walter Benjamin tatsächlich durch vermehrte Lektüre ehren sollte, will ich denn doch bezweifeln. Mir scheint er hoffnungslos überlebt, seine Sprache ist ein schreckliches Gemisch aus Hegelscher Begriffsbildung und substanzloser Schwafelei. Gerade deshalb war er lange Liebkind obskurer linker Kulturtheoretiker (der erwähnten Frankfurter Schule) und all jener Soziologen, bei denen man stets vergeblich nach dem Kern der Sache suchte. Es ist gerade die Sprache, die selbst lesbare und nicht völlig substanzlose Aufsätze wie den über das „Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ zu einer Qual machen. Wobei: Extrahiert man die Essenz dieses Aufsatzes, so bleiben zum einen Gemeinplätze (wie jene über die faschistische (und auch der kommunistisch-marxistische – aber das hätte er wohl weniger gern gehört) Nutzbarmachung von Kunst) und verqueres marxistisches Gefasel. Inhaltlich scheint er mir so aktuell wie – auf der anderen politischen Seite – Oswald Spengler. (Im übrigen scheint mir Benjamins Bedauern über den Verlust der „Aura eines Kunstwerkes“ durch die Technik von einem klassizistisch-bürgerlich-antiquierten Ideal getragen und von einer Art Technikfeindlichkeit, die stets mit einem Geraune vom Urtümlichen, Echten und Idealen einhergeht.)
Ausser dem Ursprung des deutschen Trauerspiels, das ich für durchaus lesbar halte, schenke ich Dir in der Tat die theoretischen Werke Benjamins. Seine Berliner Kindheit um Neunzehnhundert hingegen gehört zum Besten, was es an Autobiografie in der Weltliteratur gibt.