Samuel Taylor Coleridge: The Rime of the Ancient Mariner & Three Other Poems [Die Ballade vom alten Seemann]

Mit der Veröffentlichung von The Rime of the Ancient Mariner 1798 wurde sozusagen der Startschuss gegeben für die englische Romantik. Und tatsächlich beinhaltet diese Ballade so ziemlich alles, was wir mit ‚Romantik‘ verknüpfen: einen geheimnisvollen alten Mann, den Seemann, der im Laufe der Ballade seine Geschichte enthüllt; die Natur – gefährlich, aber auch schön; den Tod und die Liebe – letztere treten sogar gemeinsam auf. Last but not least: die Religion – sowohl in christlicher Variante, wie in einer heidnischen Form von Naturverehrung bzw. Angst vor derselben.

Die Ballade beginnt mit einem Hochzeitsgast, der von einem alten Mann daran gehindert wird, an der Zeremonie teilzunehmen. Statt dessen erzählt ihm der Alte sein Leben. Immer wieder wird die eigentliche Erzählung unterbrochen mit Hinweisen auf den Geisteszustand des Zuhörers. Der ist zunächst allenfalls amüsiert, wird dann aber sehr rasch ungeduldig, als der Alte nicht zum Thema zu finden scheint. Die Ungeduld wird von Angst vor dem unheimlichen Alten abgelöst, der es zu Stande bringt, dass sich der anonyme Gast trotz seines Widerwillens nicht von ihm trennen kann. Zum Schluss findet sich unser Hochzeitsgast nachgerade fasziniert vom Alten und seiner Erzählung.

Diese hinwiederum ist recht abenteuerlich. Der Seemann und sein Schiff sind auf einer Fahrt in die Antarktis unterwegs. (Die damals Furore machenden Welterkundungsreisen à la James Cook waren erst ein Vierteljahrhundert her!) Sie werden von Packeis überrascht, und das Schiff droht, zwischen den Eisschollen zerdrückt zu werden. Ein Albatross taucht auf und führt sie aus der Gefahrenzone. Statt dankbar zu sein, erschiesst ihn der Matrose. Dadurch lädt er einen Fluch auf sich und aufs Schiff. Der Segler gerät in eine Flaute und bleibt bewegungslos im Ozean liegen. Essen und vor allem Wasser werden rar. In der Antike oder im biblischen Altertum wäre unser Matrose vom Rest der Crew als menschliches Opfer an die Götter über Bord geworfen worden, hier zwingt man ihn, den toten Albatross um den Hals zu tragen. Schliessliche erscheint am Horizont ein zweites Schiff. Dieses entpuppt sich aber nicht als die erhoffte Rettung, sondern als ein Geisterschiff, eine Art Fliegender Holländer. Es bewegt sich trotz Flaute vorwärts, aber an Bord dieses schwimmenden Wracks sind nur zwei Wesen: der Tod und Night-mare Life-in-Death, eine bleiche Frau. Sie würfeln um die Crew. Der Tod erhält den Rest der Besatzung; Night-mare Life-in-Death den Erzähler. Irgendwie gelingt es dem Mann zu beten. Sein Gebet wird erhört: Der Albatross fällt von seinem Hals und gute Geister (Engel) nehmen Besitz von den Körpern der Toten und führen das Schiff an die Küste. Der Matrose wird gerettet und verbringt seither seine Zeit damit, seine Geschichte jedem zu erzählen, der zuhören will, bzw. den er in seinen Bann schlagen kann, dass er zuhören muss.

Formal zwar neu und für die damalige Zeit wohl aufregend; inhaltlich aber sehr konservativ. Am ehesten fällt noch die zwiespältige Haltung der Romantik gegenüber der Natur auf, so sowohl gut wie dämonisch sein kann.

Bei den andern drei Gedichten meiner Ausgabe handelt es sich um Christabel, die Geschichte einer jungen Frau. Coleridge verwendet hier ein Versmass, bei dem nur die Akzente gezählt werden. So kann die Silbenzahl pro Vers ziemlich variieren. Auch in Christabel geht es um die Liebe und den Tod – diese Ballade ist allerdings unvollendet geblieben.

Ebenfalls unvollendet ist Kubla Khan, gemäss Coleridges Vorwort dazu eine Vision bzw. ein Traum, den er unter Einfluss von Opium gehabt hat. Eine eigentliche Geschichte hat das Gedicht nicht, es schildert Xanadu, die Hauptstadt des Mongolenherrschers (und chinesischen Kaisers) Kubla Khan. Durch dieses Gedicht ist Xanadu als Symbol romantischer Sehnsucht nach dem Paradies in die englische Sprache gekommen.

The Pains of Sleep schliesslich ist das am wenigsten bekannte Gedicht meiner kleinen Sammlung. Man kann es lesen als Schilderung eines Anfalls von Depression, das in der Apologie der (Nächsten-)Liebe mündet.


The Rime of the Ancient Mariner and Three Other Poems by Samuel Taylor Coleridge. Illustrated by Harry Brockway. London: Folio Society, 2017.

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