Truman Capote: Breakfast at Tiffany’s

Vor einem schwarzen Hintergrund mit silbernen Punkten (die die Sterne darstellen) und vor allem vor einem großen, weißen Mond, der aber ein riesiger geschliffener Diamant ist, sehen wir blau mit schwarzer Sonnenbrille den stilisierten Kopf einer jungen Frau, die ein Diamantencollier um den Hals trägt. - Ausschnitt aus dem Buchcover.

Selten in der Geschichte Hollywoods gab es wohl eine eklatantere Fehlbesetzung als die der Holly Golightly durch Audrey Hepburn in der Verfilmung von 1961 dieses Romans. Nicht nur, weil Hepburn mit langen dunklen Haaren agiert, während Holly kurzes blondes Haar aufweist (das allerdings, wie der Ich-Erzähler feststellt, gefärbt ist, und zwar keineswegs professionell). Auch sonst hat das ätherische, engelsgleiche Wesen, das Hepburn vorstellt, mit der bedeutend perfider und erdnaher gestrickten jungen Frau des Buchs wenig gemein. Aber noch seltener wohl wird es geschehen sein, dass gerade diese Fehlbesetzung zu einem riesigen Erfolg wird. Allerdings ist Hepburn nicht die einzige Ursache. Mindestens ebenso viel hat der Drehbuchautor dazu beigetragen. Die Abweichungen des Films vom Buch sollten bekannt sein; ich erwähne hier nur den Umstand, dass der junge Schriftsteller im Film nicht nur einen Namen gekriegt hat, sondern auch Holly Golightly kriegen wird – typisch für Hollywood hat man nämlich aus dem freundschaftlichen Verhältnis von Nachbar und Nachbarin eine Love Story gebastelt. Zum großen Ärger des Buchautors Truman Capote.

Denn im Grunde genommen ist der junge und noch nach Erfolg haschende Schriftsteller, der im Buch als Ich-Erzähler auftritt und dessen Namen wir nie erfahren, der heimliche Star des Buchs. Nur nominell steht Holly Golightly im Vordergrund. Sie stellt eine komplizierte Mischung dar aus verschlagener Durchtriebenheit und kindlicher Naivität und gilt als Society Girl. So nannte man damals die jungen Frauen, die sich im Dunstkreis mehr oder weniger bekannter Männer bewegten, immer auf der Suche nach einem reichen Versorger, am besten einem, der sie heiratete. (Anders als der Film, der in den 1960ern spielt, handelt der Roman in der ersten Hälfte der 1940er – die USA sind bereits in den Zweiten Weltkrieg involviert.) Manchmal gehen sie mit einem dieser Männer ins Bett und lassen sich dafür bezahlen; ebenso oft aber spielen sie verschiedene hoffnungsvolle männliche Wesen gegeneinander aus, lassen jeden zahlen und gehen mit keinem ins Bett.

Auf den ersten Blick wirkt Holly kaltschnäuzig und abgebrüht. Einzig ihren Bruder scheint sie wirklich zu lieben. Dass sie den Ich-Erzähler mit dessen Namen Fred anredet, ist in ihren Augen wohl eine große Auszeichnung. Dass ihre Aufführung nur ein – allerdings sehr dicker – Schutzwall ist gegen die Verletzungen, die ihr das Leben bereits zugefügt hat, sehen wir in dem Moment, als Holly vom Tod auf dem Schlachtfeld des über alles geliebten Bruders erfährt und das Mobiliar ihrer Wohnung kurz und klein schlägt. Ihre Naivität andererseits zeigt sie, wenn sie gegen Bezahlung einmal in der Woche einen Capo der Mafia im Gefängnis besucht, angeblich als dessen Nichte. Der Capo gibt ihr Sätze mit, die sie seinem „Anwalt“ (der in Wirklichkeit sein Leutnant ist) weiter zu sagen hat. Auf diese Weise erlaubt sie dem Capo seine Drogengeschäfte auch aus dem Gefängnis weiter zu führen. Es ist wohl tatsächlich so, dass sie nicht realisiert, was sie hier tut. Als die Chose auffliegt, ist sie gerade mit einem jungen brasilianischen Diplomaten verlobt und scheint damit das unausgesprochene Ziel eines jeden Society Girls erreicht zu haben. Der Aufruhr ist riesig, der Diplomat bricht die Beziehung ab. Holly, eigentlich nur auf Bewährung frei, reist mit dem bereits erhaltenen Ticket nach Brasilien. Später wird der Ich-Erzähler eine Karte aus Buenos Aires erhalten, wo sie unterdessen als Geliebte eines reichen verheirateten Argentiniers lebt, aber immer noch hofft, einen Ehemann zu finden. Das ist das letzte Mal, das er von ihr hört; eine versprochene neue Adresse schickt sie ihm nie. Später wird der Besitzer der Bar, in der sich Holly und der Ich-Erzähler des öfteren aufgehalten haben, eine afrikanische Skulptur erhalten, die genau so aussieht wie Holly. (Diese Szene hat Capote an den Anfang des Romans gestellt.)

Aber nun noch ein paar Worte zum Ich-Erzähler: Er ist ein genauer Beobachter und schildert recht unbeteiligt die Partys der jungen Nachbarin und ebenso unbeteiligt ihre Abstürze. Ja, er hilft. Ja, er mag sie. Aber das ist keine Liebe. Liebe, sogar selbstlose Liebe, zeigt Capote uns explizit im oben erwähnten Besitzer der Bar, der bei der Abreise Hollys in Tränen ausbricht, aber alles tut, ihr dabei zu helfen – selbst das Taxi zum Flughafen organisiert und bezahlt er. Beim Ich-Erzähler aber finden wir nicht einmal den an und für sich unumgänglichen Neid eines Mannes auf einen anderen, der mehr Glück hat bei einer Frau, die man selber auch mag. Es gibt meiner Ansicht nach nur eine Schlussfolgerung daraus: Unser Ich-Erzähler ist schwul. Es war wohl auch deswegen, dass sich Capote – der selber offen homosexuell lebte – derart über den Filmschluss ärgerte. Nicht nur war der kitschig – er veränderte auch Capotes homosexuellen Protagonisten zur Unkenntlichkeit.

Ich habe, um zum Schluss zu kommen, Capote bisher nie gelesen. Den Kurzroman Breakfast at Tiffany’s aber kann ich in in seinem nüchternen Realismus nur empfehlen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert