Bodanis lässt die Geschichte dieser Gleichung mit Newton beginnen (ohne aber auf die Problematik der Massen-Definition einzugehen), erwähnt dann die Auseinandersetzung zwischen Giovanni Cassini und Olaf Römer über die Lichtgeschwindigkeit, geht zur Antoine Laurent de Lavoisier über (der zeigen konnte, dass die Masse bei chemischen Reaktionen erhalten bleibt) und landet über Michael Faraday schließlich bei dem Patentamtsangestellten Albert Einstein und dessen spezieller Relativitätstheorie. Genauere Erklärungen sucht man vergebens, Bodanis ergeht sich eher in psychologischen Spekulationen, was denn nun diesen Beamten zu seinen Leistungen befähigt habe.
Der Rest des Buches ist den Konsequenzen dieser Formel gewidmet, vor allem dem Wettlauf um die militärische Nutzung. Auführlich werden die Forschungen von Heisenberg für die Nationalsozialisten* beschrieben (wobei dessen Forschungsarbeit nach den Angaben des Autors sehr viel konsequenter das Ziel der Atombombe verfolgte als wenigstens mir bisher bekannt war – aber ich nehme mir vor, das anhand von Sekundärliteratur verifizieren), das Manhattan-Projekt und der schließliche Einsatz der Bombe über Japan (wobei Bodanis zu dem historisch korrekten Schluss kommt, dass dieser Einsatz im Sinne der Beendigung des Krieges vollkommen überflüssig war und im Grunde nur als Verbrechen bezeichnet werden kann). Dann geht er noch kurz auf die Bedeutung der Formel für die Erklärung der Energieerzeugung in Sternen ein und weist auf die Arbeiten von Subrahmanyan Chandrasekhar hin (nebst der Entstehung von Schwarzen Löchern).
Das alles ist – wie erwähnt – sehr leicht lesbar, anekdotisch verpackt, aber für jemanden, der mit dieser Materie auch nur oberflächlich vertraut ist, kaum von Interesse. Ein besonderes Ärgernis sind die Fußnoten: Diese sind nämlich nicht gekennzeichnet, man muss also ständig zwischen Text und Anhang hin und her blättern, um überhaupt feststellen zu können, zu welcher Seite der Autor nun glaubt, Ergänzendes oder Quellenkritisches hinzufügen zu müssen. Ein wenig entschädigt die kommentierte Literaturliste für diesen Nonsens, insgesamt aber ist dies ein Buch für Einsteiger bzw. für Leser, die mehr Wert auf Geschichten und Histörchen legen denn auf physikalische Dinge.
*) Allerdings findet das Gespräch zwischen Bohr und Heisenberg in Kopenhagen keine Erwähnung, dessen Inhalt Heisenberg später bestritten hat und das Bohr Kontakt zu den Engländern aufnehmen ließ, um ihnen diese Pläne mitzuteilen.
David Bodanis: Bis Einstein kam. Die abenteuerliche Suche nach dem Geheimnis der Welt. München: DVA 2001.
Gerade das Treffen in Kopenhagen zwischen Bohr und Heisenberg, das gestern in einem wieder ausgestrahlten Fernsehfilm wiedergegeben wurde, war ein ‚Aufhänger‘ für den Mediävisten Johannes Fried (*1942), der die Ergebnisse der Hirnforschung in die Arbeit des Historikers einbeziehen möchte: Der Schleier der Erinnerung. Grundzüge einer historischen Memorik. München 2004.
Es ist ja nicht immer so, dass in Memoiren die historische Wahrheit bewusst verfälscht werden soll. Manches stellt sich dem Hirn in der Erinnerung anders dar, als es sich in Wirklichkeit abgespielt hat, weil der Autor möchte, dass sich das Ereignis am besten so abgespielt haben könnte, damit die Deutung im Nachhinein als zeitgemäß und plausibel erscheint. Das sind auch die berühmten „Treppenwitze der Weltgeschichte“: Hinterher fällt einem ein, was man am besten bei dem realen Treffen hätte sagen sollen. Das beruhigt ungemein, hat aber mit der Wirklichkeit nur noch wenig zu tun. Das Gehirn hat einem einen Streich gespielt, und die Legende pflanzt sich in der Überlieferung fort.