Werke. Darmstädter Ausgabe. Band III. Herausgegeben und kommentiert von Hanno Beck. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 22008.
In Band III der Darmstädter Ausgabe ist von Herausgeber Hanno Beck der Kuba betreffende Teil aus Humboldts grossem Reise- und Forschungsbericht, Voyage aux régions équinoxiales du Nouveau Continent: fait en 1799, 1800, 1801, 1803 et 1804, herausgelöst worden. Es macht tatsächlich geografisch Sinn, Kuba als eigenständige Insel separat zu veröffentlichen; aber auch von der Konzeption her ist Alexander von Humboldts Abschnitt über Kuba ganz anders geraten als die anderen Teile.
Das hier ist nämlich definitiv kein Reisebericht. Humboldt liefert auf knappen 260 Seiten eine politische und vor allem eine ökonomische Analyse der Situation Kubas, die weit über das hinausgeht, was er selber vor Ort erfahren hat. Er geht zeitlich bis auf die Gegenwart des Verfassens hinunter, und/oder zitiert Werke, von denen er im Moment seiner Reise keine Kenntnis hatte, weil sie erst viel später erschienen. Kubas Situation als einzige nennenswerte Kolonie im lateinamerikanischen Raum, die Spanien geblieben war, steht im Zentrum von Humboldts Betrachtungen. Geognostische, geografische, botanische oder metereologische Studien hat Alexander von Humbold auf Kuba zwar auch getrieben, aber im Cuba-Werk interessieren ihn vor allem statistische Angaben zu Bevölkerung (Anteil Weisse, Mischlinge, freigelassene Schwarze und Sklaven im Laufe der Jahre von ca. 1790 bis ca. 1830) und zur Ökonomie. Die Agrar-Produktion, der inländische Verbrauch, der Export (und wohin?) – alles wird von Humboldt fein säuberlich zusammengestellt, zumeist nach offiziellen Quellen.
Zucker, bzw. der Anbau von Zuckerrohr, steht dabei im Zentrum seiner Betrachtungen. Tabak, auch wenn er in den Statistiken immer prominent genug erscheint, wird im Text-Teil kaum erwähnt. Überhaupt scheint mir hier der etwas prüde Protestant durchzuschimmern. Obwohl schon damals Tabak in Form von Zigarren, Zuckerrohr in Form von Rum in grossem Stil exportiert worden sein muss (so viel lässt sich aus den getreulich rapportierten Statistiken herauslesen), geht Alexander von Humboldt in seinem Kommentar darauf nicht ein.
Dafür beweist er einmal mehr ein feines Gespür für die delikate politische Situation, in der sich Kuba damals schon befand. Die Handelsbeziehungen zu den umliegenden Staaten mussten mühsam neu aufgebaut werden, nachdem sich diese kurz nach Humboldts Abreise aus der Region von Spanien kriegerisch unabhängig gemacht hatten. Aber auch den zunehmenden Appetit der USA auf diese strategisch und ökonomisch wichtige Insel hat Alexander von Humboldt bereits erspürt – runde 15 Jahre bevor in den USA dieser Appetit erstmals öffentlich zugegeben wurde.
Alexander von Humboldt von einer andern Seite – aber nicht weniger interessant.
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