Robert M. Pirsig: Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten

Pirsig schrieb mit diesem Roman einen Klassiker der Hippie-Literatur – mit vielen Ingredienzien, die man von einem solchen Buch erwartet: Man ist „on the road“ – mit einem Motorrad, wird mit allerhand Philosophischem konfrontiert nebst den damit unvermeidlichen, fernöstlichen Weisheiten und nur bezüglich des eigentlich ebenso obligatorischen Drogenmissbrauchs ein wenig enttäuscht.

Die Handlung ist zweigeteilt: Da ist zum einen die Motorradtour des – klar autobiographischen – Protagonisten, zuerst gemeinsam mit einem befreundeten Ehepaar, später nur noch mit dem 11jährigen Chris am Sozius – und zum anderen die philosophische Aufarbeitung der Vergangenheit des Erzählers, sein Absturz in die Geisteskrankheit in dem Bemühen eine Art philosophische Weltformel zu finden, die ihn aber mit dem Establishment an den Universitäten in zahlreiche Konflikte bringt und seinen Zusammenbruch befördert. Von diesem vergangenen Ich berichtet der Erzähler in der dritten Person: Phaidros (nach der Hauptfigur aus dem gleichnamigen platonischen Dialog) nennt sich dieser einsame, stilisierte Kämpfer (der Name bedeutet auf griechisch Wolf und weist dadurch auf seine Außenseiterrolle hin), der mit seiner Idee einer Versöhnung von Rationalität und Emotionalität, von Objekt und Subjekt (im Grunde eine Amalgamierung von Idealismus und Empirismus) auf grandiose Weise scheitert.

All das ist kaum verbrämte Autobiographie: Pirsig, hochbegabt und schon mit 15 an einer Hochschule eingeschrieben, scheitert im akademischen Betrieb an den starren Vorgaben. Nach einem begonnenen Studium der Chemie wird er von der Universität verwiesen, studiert Philosophie, wird Dozent und versucht gleichzeitig an einer renommierten Chikagoer Hochschule sein Doktorat zu erwerben (eine akademische Karriere ist in den USA an andere Regeln gebunden als in Europa). Ein Gutteil der Erinnerungen an „Phaidros“ stammt aus dieser Zeit, doch das Seminar zum Erwerb der Doktoratswürde wird zu einem Desaster. Pirsig beschreibt die Professoren, den gesamten Lehrbetrieb als hoffnungslos antiquiert, besetzt mit Personen, die sich weniger dem Denken, der Kreativität verpflichtet fühlen als einer trocken-pedantischen Vermittlung von historisch-philosophischem Wissen, die eine kritische Auseinandersetzung mit ihren Hausgöttern (diesfalls Aristoteles und mit Abstrichen Platon) für ein Sakrileg hält. Das alles ist für jeden, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts irgendwo in der westlichen Welt eine philosophische Ausbildung erhalten hat, Teil der Biographie und durchaus nachvollziehbar.

Problematisch wird dies alles allerdings dort, wo Pirsig meint, durch sein eigenes Denken sowohl die vertrockneten Strukturen der Universitäten als auch die Philosophie als solche revolutionieren zu können. Dazu dient ihm der Begriff der „Qualität“, nach seinem Dafürhalten per se undefinierbar, nichtsdestoweniger aber etwas, das jeder kennt bzw. erkennt. Dabei ist es ihm anfangs um ästhetische Urteile zu tun, dann aber überträgt er dieses Qualitätskonzept auch auf erkenntnistheoretische, moralische und lebenspragmatische Belange. So wird die „Qualität“ zu einer Form des Tao (Pirsig hat einige Zeit an einer indischen Hochschule verbracht), sie wird zum Weg und zum Ziel von Handlung und Tun, eine Art intrinsischer Wert, der allem und jeden aufgepropft wird. Und weil sich der Begriff der Definition entzieht, steht er allüberall zur Verfügung, kann nach Bedarf mit Inhalten gefüllt werden und fällt dadurch der Beliebigkeit anheim. Pirsig hat angeblich immer mit dem Verdikt gehadert, dass er bestenfalls als Autor, nicht aber als Philosoph zur Kenntnis genommen wurde: Wobei ich für letzteres durchaus Verständnis habe.

Dabei ist es nicht so, dass der Autor sich bloß in philosophischen Platitüden ergeht: Aber die vermeintlich universelle Lösung sämtlicher Denkansätze durch diesen seinen Qualiätsbegriff macht seine Ausführungen auf selbstgerechte Weise simplifizierend, sodass ihm alle Philosophen von den Vorsokratikern bis Hume, Kant und schließlich Poincaré (andere bzw. neuere Strömungen des 20. Jahrhunderts bleiben völlig außen vor) nur zur Explikation dieser eigenen Sichtweise dienen und er diesen Denkern nicht ansatzweise gerecht wird. Und wer sich so eingehend mit Wissenschaftstheorie bzw. der Lösung epistemischer Probleme zu beschäftigen vorgibt, kann nicht einfach bei Poincaré stehenbleiben und weder Vorgänger noch Nachfolger benennen. Man wird einwenden dies sei kein Philosophielehrbuch: Das ist unzweifelhaft richtig, verträgt sich aber nicht dem Anspruch Pirsigs, hier tatsächlich fundamentale philosophische Erkenntnisse präsentiert bzw. vermittel zu haben (er war sehr stolz auf eine ihm im Alter verliehene Ehrendoktorwürde einer philosophischen Fakultät).

Und so bleibt der Leser einigermaßen frustriert zurück: Als Roman dürftig (die Verschränkung der philosophischen Teile mit dem Roadtrip wirkt hölzern und konstruiert), als ein Buch mit philosophischem Anspruch für all jene, deren Kenntnis über ein bloßes Namedropping philosophischer Größen hinausgeht, ebenfalls wenig ergiebig. Der Erfolg des Buches dürfte aber genau hierin liegen: Ein vorgeblich anspruchsvoller und geistig aufgeschlossener Leser hat ein Buch gelesen, dessen Autor mit Platon, Kant, Hume und Hegel ein scheinbar inniges Verhältnis pflegt. Und glaubt nun, durch diese Lektüre eine Art philosophischen Ritterschlag erhalten zu haben. Was denn ein formidabler Irrtum ist.


Robert M. Pirsig: Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten. Frankfurt a. M.: Fischer 1978.

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