John Banville: Die See

Schon nach wenigen Seiten weiß man: Hier schreibt jemand, der sein Handwerk versteht. Es ist ja immer schwierig, den Unterschied zwischen mediokren und begabten Schriftstellern dingfest zu machen, man bedient sich im Grunde nebulöser Ausflüchte: Beeindruckende Metaphern oder psychologisch fein gezeichnete Figuren werden hilflosen Umschreibungen und platten Charakteren gegenübergestellt. Was dann aber das Beeindruckende wirklich ist, was genau ein Bild (wie etwa bei Proust) zu einem Treffer macht, Assoziationen erzeugt, die ein “genau – genau so” evozieren, worin konkret der Unterschied besteht im Misslingen und Gelingen bzw. wo jemand an der Sprache scheitert oder sie aber beherrscht, ihr gar neue Nuancen abgewinnt – das lässt keine Ja-Nein-Dichotomie zu, das ist ein fließender Prozess, über den man nur in Ansätzen Übereinstimmung erzielen kann (und das “warum” dieser Übereinstimmung wird dann wieder in nur tastenden, vorsichtigen, die Sprache erkundenden Sätzen formuliert).

Und so fällt mir die Begründung schwer, wenngleich für mich unzweifelhaft feststeht: Banville kann schreiben, er trifft den Ton, seine Beschreibungen (der Natur, der Menschen) sind stimmig, eingängig und dort dissonant, wo es darum geht, Zerrissenheit, Verzweiflung auszudrücken. Max, die Hauptfigur, kehrt zurück zum Urlaubsort seiner Kindheit: Ein Ort, der – so wird schon auf der ersten Seite deutlich – mit einer Katastrophe verbunden ist, die sein weiteres Leben prägte. Er kehrt dorthin zurück ohne einen wirklich plausiblen Grund, er sucht nur irgendeinen Ort, um weiterzuleben, weiterzuleben nach dem Tod seiner Frau. Und so besteht der Roman aus zwei Handlungssträngen: Die Erinnerungen an die Kindheitsheitserlebnisse, an erste Verliebtheiten, Verzweiflungen und die Beschreibung der Katastrophe des Sterbens, das grundlos und unzeitgemäß eine weitgehend unbeschwerte Ehe beendet.

Max ist keine Identifikationsfigur, er ist ein wenig einnehmender Charakter, egoistisch, beschränkt sensibel, selbstgefällig, der seine Frau nicht nur, aber auch des Geldes wegen geheiratet hat, der auch wenig Skrupel hatte, die finanziellen Vorteile aus dieser Verbindung zu genießen. Er ist als Vater seiner einzigen Tochter von einer fast schmerzenden Distanz, beschreibt sie als eine – leider – hässliche junge Frau, macht aus seiner mangelnden Zuneigung keinen Hehl. Obwohl sie es schließlich ist, die den zunehmend dem Alkohol verfallenden Vater schließlich aus seiner Lethargie reißt und ins Leben zurückführt, etwas, das er ebenso hinnimmt wie die vielen anderen Ereignisse (die Bedeutung immer nur in Bezug auf ihn selbst haben). Dass der Schluss des Buches (es endet damit, dass die Tochter ihren Vater nach Hause holt) auch noch mit einer kleinen Pointe bezüglich der Kindheitserlebnisse aufwartet, ist zwar Nebensache, aber ein weiteres Zeichen für das Gespür des Autors. Mit Sicherheit nicht mein letztes Buch von John Banville.

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