Whale Watching auf den Azoren

Meeressäuger sind in der Weltliteratur zwar ein seltenes Motiv – wenn sie aber eingesetzt werden, dann mit durchschlagendem Erfolg. Moby-Dick ist im Original wie in Bearbeitungen für Kinder und Jugendliche überall bekannt; gerade vor kurzem hat im deutschen Sprachraum die Übersetzung von D’Arrigos Horcynus Orca für Furore gesorgt. Vom Delfin Flipper, einem der TV-Serien-Stars meiner Kindheit, gar nicht zu reden.

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Teil eines Konvois auf Waljagd… (c) 2016 by litteratur.ch

Allerdings hat mich nichts von alledem bewogen, Ferien mit „Whale Watching“ auf den Azoren zu buchen, sondern reine Neugierde. Auch wenn mein Reiseveranstalter damit wirbt, dass ich klimaneutral reise, glaube ich nicht, dass Whale Watching völlig stressfrei und gesund ist für die beobachteten Tiere. Nicht nur, dass ich im Gespräch mit einem Freund festgestellt habe, dass offenbar an allen möglichen und unmöglichen Punkten der Erde von Alaska bis Südafrika solche Touren angeboten werden, die Tiere also nirgends auf dem Erdrund mehr ihre Ruhe haben: Auch an den einzelnen Punkten wird es nicht anders sein als auf den Azoren, wo – wenn dann einmal eine Schule Delfine oder ein Finnwal gesichtet ist, sich bis zu fünf oder sechs der Whale-Watching-Boote aller Anbieter mit 12 bis 50 Kunden an Bord auf diese paar friedlichen Tiere stürzen.

So sieht es typischerweise aus, wenn man einen Delfin zu fotografieren versucht. (c) 2016 by litteratur.ch
So sieht es typischerweise aus, wenn man einen Delfin zu fotografieren versucht.
(c) 2016 by litteratur.ch

Ich habe bis jetzt zwei solche Touren mitgemacht – eine ganz normale „Watching“-Tour und eine, die sich „Schwimmen mit Delfinen“ nennt. In diesen paar Stunden habe ich verschiedene Dinge gelernt. Über mich, und über das Fotografieren auf dem Meer. Am wenigsten über Delfine und Wale. Was das Fotografieren betrifft: Delfine und selbst Wale in ihrer scheinbaren Plumpheit sind äusserst behende Geschöpfe. Bis ich die Kamera auf den richtigen Punkt gerichtet und abgedrückt habe, sind sie schon wieder unter der Meeresoberfläche verschwunden und gehen ihren eigenen Angelegenheiten nach.

Irgendwo wäre hier ein Delfin gewesen, den ich hätte unter Wasser fotografieren können... (c) 2016 by litteratur.ch
Irgendwo wäre hier ein Delfin gewesen, den ich hätte unter Wasser fotografieren können…
(c) 2016 by litteratur.ch

Was mich betrifft: Man kommt, wenn man einem Wal nachstellt, tatsächlich in ein richtiges Jagdfieber, und ich kann heute die Gefühle der Mannschaft um Kapitän Ahab bedeutend besser nachvollziehen. Das ist das erste. Wenn man dann beim Schwimmen mit Delfinen praktisch nur mit einer Badehose bekleidet im Meer treibt und versucht, mit ein paar zaghaften Schwimmbewegungen gegen die nicht gesehene, aber nun sehr wohl gespürte Strömung anzukommen, rundherum nur kaltes und tiefes Wasser (denn die Delfine sind längst ganz woanders), das Wasser dazu noch Salzwasser, von dem man hin und wieder auch einmal ein Maulvoll nimmt, dann kann man plötzlich nachvollziehen, wie sich ein Schiffbrüchiger fühlen muss. Während andere das offenbar nicht so empfanden, und sich noch und noch, wieder und wieder ins Wasser hieven liessen, hatte ich nach einem Mal davon genug. Kam hinzu, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben die Schiffskrankheit nicht nur als ein leicht unangenehmes Gefühl erlebte, sondern mich tatsächlich mehrmals übergeben musste …

Ich sitze längst wieder auf dem trockenen Land, habe längst wieder gegessen und getrunken und so den Verlust meines Frühstücks einigermassen wettgemacht.

Man kommt auf den Azoren als Feinschmecker sicher nicht zu kurz. Fisch war bisher noch in jedem Restaurant auf São Miguel ausgezeichnet, ein Tomahawk-Steak auch, der lokale Hamburger mit einer sehr feinen Käse-Sauce schlägt alles, was die US-amerikanischen Massenbrätereien zu bieten haben, um Längen, und auch zu Hause wüsste ich im Moment kein Restaurant, das bei Rindfleisch bzw. Hamburger an die azoranische Qualität herankommen könnte. Beim Fisch kann unser Binnenland sowieso keine Konkurrenz darstellen. In Bezug auf Getränke, und dann zuerst einmal Bier, ist das lokal gebraute „Especial“ nicht übel; die beiden portugiesischen Grossmarken, die man auch zu Hause im Supermarkt findet, sind, was Grossmarken halt sind: Auf einen durchschnittlichen Massengeschmack getrimmt, der so der meine nicht ist. Der portugiesische Wein schmeckt ausgezeichnet; er wird (zum Glück für meinen Geldbeutel!) bei mir zu Hause immer noch unterschätzt, wo man viel lieber den keineswegs besseren Rioja aus Spanien trinkt. Es gibt auch Azoren-Wein, angebaut auf der Insel Pico, der unterdessen auch in den Restaurants auf São Miguel angeboten wird. Ein bisschen erdig, aber ausgezeichnet zu der doch immer noch bodenständigen azorischen Küche passend.

Morgen ziehen wir nach Pico um.

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